LOOK AT ME! – Das Schaufenster eines der ältesten Werbemedien

Part II

 

Tatsächlich sucht die Kunst der Decoration ihresgleichen. Denn es gibt hierzulande nicht mehr viele Kaufhäuser/ Stors, die ihre Waren so aufwendig und ohne reine Produktpräsintation inszenieren. Ganz anders ist es hingegen in Städten wie London und New York. Dort sind die Dekorateure  gleichgestellt mit Stars der  Kunst-Szene,  denn sie werden eher der Kunst als dem Kommerz zugerechnet – wie Simon Doonan, der Kreativ-Direktor des New Yorker Bekleidungshauses Barneys. „Feinschmecker-Feiertage“ lautete das Weihnachtsmotto 2010, in den Fenstern an der Madison Avenue. In diesen türmten sich leere Kaffeedosen zu Pyramiden und Puppen, die Karikaturen bekannter Köche wie Jamie Oliver oder Julia Child darstellten, wurden zu Kochszenen inszeniert.

Mit ihren spektakulären Kulissen, die bühnenreif inszeniert werden, stehen die englischen und amerikanischen Dekorateure in einer kontinuierlichen Tradition, die in Deutschland 1933, durch die Nationalsozialisten, unterbrochen wurde. Damals entdeckten gerade Surrealisten wie Salvador Dali oder Marcel Duchamp, welche New Yorks Schaufenster als Forum nutzten,  um ihrer Kunst einer breiten Masse zugänglich zu machen. In Berlin, wo man sich bis dahin auch zur Avantgarde der Schaufenstergestaltung gerechnet hatte, begann man stattdessen, Hakenkreuze zu malen und Parolen zu brüllen.

Das Thema Schaufenster war da noch jung. Zwar kannten schon die Römer Fensterglas, doch erst mit der Erfindung des Walzglasverfahrens war es seit dem 17. Jahrhundert möglich, gleichmäßig dünne Scheiben herzustellen. Glas blieb jedoch bis ins 19. Jahrhundert teuer in der Fertigung und war mit hohen Steuern belegt. So waren Schaufenster eine Ausnahme und ein Privilig.

Erst mit der Industrialisierung änderte sich die Warenproduktion und damit auch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Jetzt konnte im großen Umfang nicht mehr nur für den Bedarf, sondern darüber hinaus produziert werden. Und damit tauchte ein vollkommen neues Problem auf: Wie gelingt es dem Händler, beim Kunden ein Bedürfnis zu wecken, ihm Waren zu verkaufen, welcher diese nicht unbedingt benötigt?

Das Schaufenster wurde zu einem wichtigem Bestandteil der neuen Konsumkultur, die sich daranmachte, das Bild der Innenstädte komplett zu verändern. In Berlin entstanden um die Wende zum 20. Jahrhundert große Warenhäuser wie z.B. das Wertheim-Haus. Die Faszination für das Schaufenster erhöhte sich noch mit der Einführung des Gas-,  und dann des elektrischen Lichts. Das Schaufenster war wie eine öffentliche Guckkastenbühne, auf der gelegentlich sogar Mannequins als Marionetten tanzten.

Nach dem Ersten Weltkrieg konnte von Schlichtheit keine Rede mehr sein. Inzwischen war die Leuchtreklame erfunden und die Werbung nahm, wie auch der Rest des Lebens, an „Tempo“ zu. Der Film begann die Sehgewohnheiten zu verändern.

Nach dem  2. Weltkrieg dauerte es noch Jahre, bis es in Deutschland wieder genug zu kaufen gab, dass es den Aufwand eines kunstvoll gestalteten Schaufensters gelohnt hätte.  Es gab in den frühen 70er Jahren in Köln die jährlich veranstaltete „Kunst Hohe Straße“. Damals präsentierten Künstler, unter ihnen Joeseph Beuys und Andy Warhol, ihre Werke in rund 100 Schaufenstern entlang Kölns wichtigster Einkaufsmeile. Aber das blieben Ausnahmen,  denn die große Zeit des Schaufensters war eigentlich vorüber.

Vielleicht beschreibt das eine Entwicklung, welche von wenigen berühmten Ausnahmen abgesehen, auf die Kaufhäuser/Stors mit ihrem breiten Sortiment ebenfalls zutrifft. Aufwendige Warenpräsentationen gibt es auch heute noch, sie sind aber zunehmend eine Domäne der Flagship Stores, die für ihren Auftritt Künstler und namhafte Architekten beauftragten. Ein Berühmtes Beispiel ist Prada. Der Modekonzern hat sich seine Läden in New York, Beverly Hills und Seoul durch den Niederländer Rem Koolhaas gestalten lassen.

Norman Plattner hatte in Berlin einmal lebende Akteure in der Auslage. Vor einigen Jahren inszenierten dort die Mitglieder einer französischen Theatertruppe den Aufstand der Schaufensterpuppen und auch Valentino ließ die Akteure des neunen Zoolanderstreifens nicht nur über den Catwalk marschieren sondern Inszenierte sie auch für einen Tag in seinem Mainstore in Mailand.

Allerdings kosten solche Details viel Geld. Denn auch schöne  und aufwendig inszenierte Schaufenster werden immer schwerer wahrgenommen, denn es gibt Ausstellungsflächen im Überfluss. Da reicht es eben nicht mehr, Schuhe, Brillen und den Schmuck einfach ins Fenster zu legen. In Fußgängerzonen, Arkaden, Einkaufszentren reiht sich ein Kleiderladen an den nächsten, Puppe an Puppe. Passanten werden ernüchtert von so viel Einheitsbrei.

Viele gucken lieber auf ihr Smartphone oder Tablet als auf  die  dekorierten Glasfassaden. Und das virtuelle Shopping hat auch dazu beigetragen, dass die Wertschätzung von Schaufenstern nachgelassen hat. Umso wichtiger ist es, ein Gefühl zu vermitteln, damit wir nicht eines Tages aufwachen und feststellen, dass eines unserer ältesten Medien für Werbeflächen ganz ausgestorben ist und von unpersönlichen Websites nun vollkommen ersetzt wurde.

 

Literaturverzeichnis: