Mode, Körper, Modekörper – Zur Bedeutung von Mode für das eigene Körperbild und -verständnis

IMG_20160324_174207„Kleider machen Leute. Das war schon immer so. Wenn man schöne Kleider anhat, fühlt man sich besser und strahlt das auch aus“, meint Meike, Studentin und eine der Fragebogen-TeilnehmerInnen meiner qualitativen Umfrage zum Thema Mode-Körper, Körper-Mode – Wie Körper und Moden sich gegenseitig beeinflussen. Die TeilnehmerInnen entstammten meinem Verwandten- und Bekanntenkreis und umfassten eine Altersspanne von 18-48 Jahren. Bei der Auswertung der Fragebögen war besonders interessant zu beobachten, dass die männlichen Teilnehmer mehrheitlich angaben, Kleidungstrends hätten keinen bzw. einen geringen Einfluss auf ihren Kleidungsstil oder ihr Körperbild. „Kleidung dient dem Zweck“, meint Michael, Einzelhandelskaufmann und Paul, Ingenieur, ist der Ansicht: „Sie streifen meinen Kleidungsstil. Nicht alles was modisch ist, ist schön“. „Die Kleidung sollte zu mir passen, ob das Mode ist oder nicht, ist mir egal“, äußerst Jan, Student.

Die weiblichen Teilnehmerinnen geben dagegen überwiegend zu, dass sie sich von Modetrends inspirieren lassen und diese auch in ihrem individuellen Kleidungsstil aufnehmen, jedoch nicht jedem Trend nacheifern: „Natürlich; jedoch Alter und Figur beachte ich. Außerdem hat man seinen eigenen Kleidungsstil, dem man treu bleibt!“, bemerkt Paula, Erzieherin. „Ich kaufe nichts, was mir nicht gefällt, auch wenn es gerade angesagt ist. Aber eigentlich gibt es in jeder Saison Trends, mit denen ich mich identifizieren kann. Mal mehr, mal weniger“, meint Meike. Tina beschreibt die Bedeutung von ästhetischer Kleidung für ihr Körperbild als eine „Hassliebe“. „Ich mag viele ästhetische Kleidung, aber für Körperformen, die vom Ideal abweichen, gibt es wenig Möglichkeit sie auszuprobieren.“

Die Aussagen der weiblichen Teilnehmerinnen machen deutlich, dass sie sich durchaus bewusst sind, dass Körperbilder und Körperideale immer auch an Kleidung bzw. Kleidungsmoden gebunden sind. Diese wiederum stehen in enger Wechselwirkung zu den Körpern ihrer TrägerInnen. Ein Kleidungsstück wird erst dann modisch, wenn es durch bestimmte Prozesse, wie beispielsweise durch Marketingstrategien von Modeunternehmen, mit einer Bedeutung aufgeladen wird und durch performative Praktiken am dreidimensionalen Körper der KäuferInnen ihre inszenierende Kraft entfaltet.[1] Um zu wirken, benötigt Kleidung einen Körper und der Körper für seine Inszenierung die Kleidung. Durch sie kann sich der Körper bestimmte „Handlungsräume“[2] eröffnen. Die Prozesshaftigkeit von Mode drückt sich durch die Wechselwirkung von „Kleidern, Körpern, Wahrnehmung und Bedeutungszuweisungen in Zeit und Raum“[3] aus. Das gegenseitige Bedingen von Mode-Kleidung und Körper führt zu einer neuen Art von Körper, dem Modekörper, dessen anatomische Körper-Grenzen verändert werden können. Durch den Modekörper wird nicht nur die mentale Verfassung seiner/seines Trägerin/Trägers gelenkt, sondern auch die Sicht auf den anatomischen Körper: „Der Modekörper wird vom Subjekt als der seine angesehen und ‚naturalisiert‘ zum eigenen Körper und zum ‚Ausdruck der eigenen Persönlichkeit.“[4]. Mode schafft damit auch Identität. Modekleidung, wie sie sich in den meisten Geschäften finden lässt, durchlief bereits einen selektiven Auswahlprozess durch Spezialisten (Journalisten, EinkäuferInnen etc.), bevor der Kunde/die Kundin ihrer scheinbaren Kreativität bei der Kleiderauswahl nachkommen kann. Kreativität bedeutet in diesem Kontext die Fähigkeit zur Kombination verschiedener Kleidungsstücke, wobei hier wiederum nach kulturellen und gesellschaftlichen Bildern (z.B. auf Plakaten oder in Modezeitschriften) gehandelt wird.[5] Die Inszenierung des eigenen Körpers durch Kleidung ist somit abhängig vom Habitus eines Menschen und dem entsprechenden Verständnis von Körpertechniken. Individualität resultiert letztendlich aus dem Nachahmen von aktuellen Kleidungsmoden, dem sich das Individuum nicht entziehen kann.[6] Das breite und vielfältige Angebot an Kleidung suggeriert dem/der Käufer/in eine freie und individuelle Kleiderwahl im Sinne der eigenen Persönlichkeit. Zwar sind wir durch die Auswahl unserer Kleidung am Entscheidungsprozess, was gerade Mode ist, beteiligt, jedoch bedienen wir uns bereits an einem durch Spezialisten vorselektierten Angebot und sind gleichzeitig auch nur Nachahmer eines gesellschaftlich als modisch empfundenen und akzeptierten Kleidungsstils[7], der auch durch die Medien stark geprägt ist. Die Umfrage hat gezeigt, wie unbewusst dieses Handeln vonstatten gehen kann. ‚Nach Mode kleiden‘ scheinen viele der Befragten auf extravagante, außeralltägliche oder auffallende Kleidungselemente (Stoffe, Muster, Farben) zu beziehen. Letztendlich ist aber bereits eine bestimmte Rock- oder Hosenform eine Mode, die momentan von den Trägern als zeitloses Kleidungsstück gesehen wird, sich aber in den nächsten Jahren wieder ändern kann. Somit ist unsere Körperinszenierung und unser Körperverständnis, wenn auch nur unbewusst wahrgenommen, immer abhängig von kulturell geprägten und zeitlich begrenzten Modetrends.

[1] Vgl. Gertrud Lehnert: Mode als kulturelle Praxis. In: Christa Gürtler (Hg.): Kleiderfragen: Mode und Kulturwissenschaft. Bielefeld 2015, S. 30.

[2] Zit. Ebd. S. 38.

[3] Zit. Ebd. S. 30.

[4] Zit. Ebd. S. 39.

[5] Vgl. Ebd. S. 33.

[6] Vgl. Ebd. S.38.

[7] Vgl. Gabriele Splett: Sport und Mode. Eine Untersuchung über den Zusammenhang zwischen Körperlichkeit und Bekleidung unter besonderer Berücksichtigung der weiblichen Körper-Problematik, Münster; Hamburg 1993, S. 37.

Literatur:

  • Lehnert, Gertrud: Mode. Theorie, Geschichte und Ästhetik einer kulturellen Praxis, Bielefeld 2013.
  • Lehnert, Gertrud: Mode als kulturelle Praxis. In: Kleiderfragen: Mode und Kulturwissenschaft, hg. von Christa Gürtler, Bielefeld 2015, S. 29-41.
  • Splett, Gabriele: Sport und Mode. Eine Untersuchung über den Zusammenhang zwischen Körperlichkeit und Bekleidung unter besonderer Berücksichtigung der weiblichen Körper-Problematik, Münster; Hamburg 1993.