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Militär und Seidenschleifchen

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„Camouflage trifft auf Satinschleife, und Seide glänzt in Khaki: Military-Details brauchen jetzt weibliche Besänftigung“, untertitelt das Modemagazin Glamour in ihrer Januar-Ausgabe 2016 die Modestrecke Army Shop[1]. Präsentiert werden neben Hemden mit aufgesetzten großen Taschen, Uniformjacken und –mänteln, Parkas, Westen und Trenchcoats auch Miniröcke, Blusen mit Schleifen und Pailletten sowie Metallic-Kleider mit Plissee-Falten in erdigen Farben, wie Schlamm, Khaki, Oliv und Camouflage-Musterung. Lack-Stilettos, Lederbooties, Pilotenbrillen, Nagellack und Beutel- oder Ledertasche runden den Look ab.

Der aktuelle Military-Look ist ein Zeichen dafür, wie Körper durch bestimmte Schnitte, Stoffe, Muster und Kombinationen geschlechtlich inszeniert werden, welche durch gesellschaftliche Veränderungen bedingte Codierung ihnen zugeschrieben wird und wie sich diese auf Körper überträgt oder durch sie verändert wird. Der Trenchcoat, wie er nun auch in den aktuellen Modestrecken in diversen Modezeitschriften, wie Glamour oder Elle[2] zu finden ist, ist ein anschauliches Beispiel dafür, welcher Prozesshaftigkeit Kleidung und welchen Bedeutungszuschreibungen sie zeit- und raumabhängig aber auch -übergreifend in einer Gesellschaft unterliegt. Als Militärkleidungsstück entworfen, sollte der Mantel die (britischen) Soldaten im Krieg vor Regen, Schlamm und durch seine Tarnfarbe vor den Augen der Feinde schützen. Im I. Weltkrieg war er allerdings nur Offizieren vorenthalten, wovon heute noch die Schulterklappen (einst für Rangabzeichen) zeugen. Elemente, wie die D-förmigen Gürtelschnallen für die Munition oder der abgesetzte Stoff an der oberen Rückenpartie, lassen sich heutzutage immer noch an modischen Trenchcoat-Modellen wiederfinden.[3] Als Militärkleidungsstück für Offiziere strahlt es Macht, Autorität, Stärke und Männlichkeit aus. Bereits in den 1920er Jahren fand der khaki-farbene Trenchcoat Einzug in die zivile Mode-in die Damenmode.[4] Die weibliche Emanzipation, welche frau mit dem Trenchcoat ausdrücken wollte, bewegte sich zuerst stark im Rahmen patriarchaler Grenzen. Eigenschaften wie Stärke, Selbstbewusstsein, Selbstständigkeit und Macht wurden aus einem männlich konnotierten Zuschreibungsbereich (des Mantels) in einen weiblichen hinein reproduziert. Nach dem II. Weltkrieg und unter Mithilfe der (filmischen) Inszenierung (z.B. Audrey Hepburn in Breakfast at Tiffany’s[5]) von berühmten weiblichen Personen der Öffentlichkeit wurde der Trenchcoat dem weiblichen Körper mehr und mehr angepasst und nicht mehr nur als eine mit männlichen stereotypen Zuschreibungen aufgeladene Hülle für einen weiblichen Körper genutzt.

Der Trenchcoat bewegt sich zwischen modischer Auffälligkeit (durch die Kombination mit anderen Materialien, durch Schnitte etc.) und pragmatischer Unauffälligkeit (wetterfester Gabardine-Stoff des Burberry-Mantels, schlichte Farbe und Schnitte). Von Militär zu Zivil entsteht ein Kleidungsstück, an welches ein ästhetischer aber auch funktioneller Anspruch durch DesignerInnen und KonsumentInnen gestellt wird. Inwieweit Military-Kleidung heute noch männlich dominiert gesehen/inszeniert wird, zeigt die oben bereits angesprochene Modestrecke der Glamour. Die Kleidungsstücke müssen beispielsweise durch weiblich konnotierte Stoffe, Farben und Muster erst besänftigt werden (siehe auch Zitat zu Beginn). Die raue strenge Militärkleidung muss durch blumige Elemente, Rüschen, Schleifen und leichte Chiffon- und Seidenstoffe vergesellschaftet werden. Hier werden nicht nur stereotype Geschlechterpositionen reproduziert, sondern es wird auch versucht, einen ehemals männlich konnotierten und außeralltäglichen Look durch weibliche Körper gesellschaftsfähig zu machen. Allerdings scheint dies nur zu funktionieren, wenn man typisch weiblich konnotierte Elemente in den Military-Look integriert. Es wirkt, als müsse das Weiblich-Sanfte das strenge, mächtige Männliche erst einer weiblichen Transformation unterziehen, um ihm habhaft werden zu können.

Die oben genannten Beispiele zeigen, wie die Bedeutungszuschreibung eines Kleidungsstückes nicht nur auf den Träger übertragen werden kann, sondern wie Kleidung durch die Interaktion mit Körpern im Raum auch neue Bedeutungen zugeschrieben werden können. So kann ein Military-Kleidungsstück durch modische Transformation auf der Straße als ästhetischer Eye-Catcher funktionieren und so seinen ursprünglichen Anspruch auf bloße Funktionalität und Unscheinbarkeit verlieren.[6] Allerdings nimmt sich die Mode meist auch jene Militär-Kleidung zum Vorbild, die eher bei repräsentativen Anlässen getragen wurde[7], sodass wiederum der Anspruch des Sich-Inszenierens durch das Kleidungsstück auch auf den Körper des Trägers/der Trägerin übertragen wird. Trotzdem kann es aber eben auch, je nach Material, Schnitt und Musterung, dem/der Träger/in bis zu einem gewissen Grad Funktionalität und ein schlichtes Auftreten garantieren. Inwieweit der aktuelle Military-Look die momentane gesellschaftliche und politische Situation aufgreift, lässt sich diskutieren. Vielleicht soll der Look aktuelle politische Geschehnisse gesellschaftlich greifbar machen bzw. zur Reflexion anregen. Vielleicht kommt und geht er aber auch ohne explizites politisches Statement. Jedoch spiegelt er die zahlreichen historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Faktoren wider, welche die Bedeutungszuschreibungen für die Wechselwirkung von Kleidung und Körper bilden.

[1] Vgl.: Pierre Bailly: Army Shop. Camouflage trifft auf Satinschleife und Seide glänzt in Khaki: Military-Details brauchen jetzt weibliche Besänftigung. In: Glamour Januar 2016, hg. von Moritz von Laffert, München 2016, S. 71-85.

[2] Vgl.: Joshua Jordan: Cool Khaki. In: Elle März 2016, hg. von Patricia Riekel, München 2016, S. 192-199.

[3] Vgl.: Josh Sims: Frauen mit Stil, Zürich 2015, S. 13 ff..

[4] Vgl.: Ebd. S. 13.

[5] Vgl.: Edwards, Blake: Breakfast at Tiffany’s, USA: A Jurow Sheperd Production 1961.

[6] Vgl.: Ingrid Loschek: Wann ist Mode? Strukturen, Strategien, Innovationen, Berlin 2007, S. 146.

[7] Vgl.: Anke Schipp, 2005, S. 65.

Literatur:

  • Bailly, Pierre: Army Shop. Camouflage trifft auf Satinschleife, und Seide glänzt in Khaki: Military-Details brauchen jetzt weibliche Besänftigung. In: Glamour Januar 2016, hg. von Moritz von Laffert, München 2016, S. 71-85.
  • Haeming, Anne: Alles perlt ab. In: Zeit online, 28.09.2010, URL: http://www.zeit.de/lebensart/mode/2010-09/trenchcoat (Zugriff: 26.03.2016).
  • Jordan, Joshua: Cool Khaki. In: Elle März 2016, hg. von Patricia Riekel, München 2016, S. 192-199.
  • Loschek, Ingrid: Wann ist Mode? Strukturen, Strategien, Innovationen, Berlin 2007.
  • Sims, Josh: Frauen mit Stil, Zürich 2015.
  • Schipp, Anke: Mode auf Kommando. Vom Bundeswehrparka zum Zarenmantel: Der Modeherbst ist dunkel, streng und manchmal sogar romantisch – eine Uniform – mit Litzen, Epauletten und Orden besetzt – gehört dazu. In: FAZ, 23.10.2005, S. 65.

Mode, Körper, Modekörper – Zur Bedeutung von Mode für das eigene Körperbild und -verständnis

IMG_20160324_174207„Kleider machen Leute. Das war schon immer so. Wenn man schöne Kleider anhat, fühlt man sich besser und strahlt das auch aus“, meint Meike, Studentin und eine der Fragebogen-TeilnehmerInnen meiner qualitativen Umfrage zum Thema Mode-Körper, Körper-Mode – Wie Körper und Moden sich gegenseitig beeinflussen. Die TeilnehmerInnen entstammten meinem Verwandten- und Bekanntenkreis und umfassten eine Altersspanne von 18-48 Jahren. Bei der Auswertung der Fragebögen war besonders interessant zu beobachten, dass die männlichen Teilnehmer mehrheitlich angaben, Kleidungstrends hätten keinen bzw. einen geringen Einfluss auf ihren Kleidungsstil oder ihr Körperbild. „Kleidung dient dem Zweck“, meint Michael, Einzelhandelskaufmann und Paul, Ingenieur, ist der Ansicht: „Sie streifen meinen Kleidungsstil. Nicht alles was modisch ist, ist schön“. „Die Kleidung sollte zu mir passen, ob das Mode ist oder nicht, ist mir egal“, äußerst Jan, Student.

Die weiblichen Teilnehmerinnen geben dagegen überwiegend zu, dass sie sich von Modetrends inspirieren lassen und diese auch in ihrem individuellen Kleidungsstil aufnehmen, jedoch nicht jedem Trend nacheifern: „Natürlich; jedoch Alter und Figur beachte ich. Außerdem hat man seinen eigenen Kleidungsstil, dem man treu bleibt!“, bemerkt Paula, Erzieherin. „Ich kaufe nichts, was mir nicht gefällt, auch wenn es gerade angesagt ist. Aber eigentlich gibt es in jeder Saison Trends, mit denen ich mich identifizieren kann. Mal mehr, mal weniger“, meint Meike. Tina beschreibt die Bedeutung von ästhetischer Kleidung für ihr Körperbild als eine „Hassliebe“. „Ich mag viele ästhetische Kleidung, aber für Körperformen, die vom Ideal abweichen, gibt es wenig Möglichkeit sie auszuprobieren.“

Die Aussagen der weiblichen Teilnehmerinnen machen deutlich, dass sie sich durchaus bewusst sind, dass Körperbilder und Körperideale immer auch an Kleidung bzw. Kleidungsmoden gebunden sind. Diese wiederum stehen in enger Wechselwirkung zu den Körpern ihrer TrägerInnen. Ein Kleidungsstück wird erst dann modisch, wenn es durch bestimmte Prozesse, wie beispielsweise durch Marketingstrategien von Modeunternehmen, mit einer Bedeutung aufgeladen wird und durch performative Praktiken am dreidimensionalen Körper der KäuferInnen ihre inszenierende Kraft entfaltet.[1] Um zu wirken, benötigt Kleidung einen Körper und der Körper für seine Inszenierung die Kleidung. Durch sie kann sich der Körper bestimmte „Handlungsräume“[2] eröffnen. Die Prozesshaftigkeit von Mode drückt sich durch die Wechselwirkung von „Kleidern, Körpern, Wahrnehmung und Bedeutungszuweisungen in Zeit und Raum“[3] aus. Das gegenseitige Bedingen von Mode-Kleidung und Körper führt zu einer neuen Art von Körper, dem Modekörper, dessen anatomische Körper-Grenzen verändert werden können. Durch den Modekörper wird nicht nur die mentale Verfassung seiner/seines Trägerin/Trägers gelenkt, sondern auch die Sicht auf den anatomischen Körper: „Der Modekörper wird vom Subjekt als der seine angesehen und ‚naturalisiert‘ zum eigenen Körper und zum ‚Ausdruck der eigenen Persönlichkeit.“[4]. Mode schafft damit auch Identität. Modekleidung, wie sie sich in den meisten Geschäften finden lässt, durchlief bereits einen selektiven Auswahlprozess durch Spezialisten (Journalisten, EinkäuferInnen etc.), bevor der Kunde/die Kundin ihrer scheinbaren Kreativität bei der Kleiderauswahl nachkommen kann. Kreativität bedeutet in diesem Kontext die Fähigkeit zur Kombination verschiedener Kleidungsstücke, wobei hier wiederum nach kulturellen und gesellschaftlichen Bildern (z.B. auf Plakaten oder in Modezeitschriften) gehandelt wird.[5] Die Inszenierung des eigenen Körpers durch Kleidung ist somit abhängig vom Habitus eines Menschen und dem entsprechenden Verständnis von Körpertechniken. Individualität resultiert letztendlich aus dem Nachahmen von aktuellen Kleidungsmoden, dem sich das Individuum nicht entziehen kann.[6] Das breite und vielfältige Angebot an Kleidung suggeriert dem/der Käufer/in eine freie und individuelle Kleiderwahl im Sinne der eigenen Persönlichkeit. Zwar sind wir durch die Auswahl unserer Kleidung am Entscheidungsprozess, was gerade Mode ist, beteiligt, jedoch bedienen wir uns bereits an einem durch Spezialisten vorselektierten Angebot und sind gleichzeitig auch nur Nachahmer eines gesellschaftlich als modisch empfundenen und akzeptierten Kleidungsstils[7], der auch durch die Medien stark geprägt ist. Die Umfrage hat gezeigt, wie unbewusst dieses Handeln vonstatten gehen kann. ‚Nach Mode kleiden‘ scheinen viele der Befragten auf extravagante, außeralltägliche oder auffallende Kleidungselemente (Stoffe, Muster, Farben) zu beziehen. Letztendlich ist aber bereits eine bestimmte Rock- oder Hosenform eine Mode, die momentan von den Trägern als zeitloses Kleidungsstück gesehen wird, sich aber in den nächsten Jahren wieder ändern kann. Somit ist unsere Körperinszenierung und unser Körperverständnis, wenn auch nur unbewusst wahrgenommen, immer abhängig von kulturell geprägten und zeitlich begrenzten Modetrends.

[1] Vgl. Gertrud Lehnert: Mode als kulturelle Praxis. In: Christa Gürtler (Hg.): Kleiderfragen: Mode und Kulturwissenschaft. Bielefeld 2015, S. 30.

[2] Zit. Ebd. S. 38.

[3] Zit. Ebd. S. 30.

[4] Zit. Ebd. S. 39.

[5] Vgl. Ebd. S. 33.

[6] Vgl. Ebd. S.38.

[7] Vgl. Gabriele Splett: Sport und Mode. Eine Untersuchung über den Zusammenhang zwischen Körperlichkeit und Bekleidung unter besonderer Berücksichtigung der weiblichen Körper-Problematik, Münster; Hamburg 1993, S. 37.

Literatur:

  • Lehnert, Gertrud: Mode. Theorie, Geschichte und Ästhetik einer kulturellen Praxis, Bielefeld 2013.
  • Lehnert, Gertrud: Mode als kulturelle Praxis. In: Kleiderfragen: Mode und Kulturwissenschaft, hg. von Christa Gürtler, Bielefeld 2015, S. 29-41.
  • Splett, Gabriele: Sport und Mode. Eine Untersuchung über den Zusammenhang zwischen Körperlichkeit und Bekleidung unter besonderer Berücksichtigung der weiblichen Körper-Problematik, Münster; Hamburg 1993.

Faltenschönheit

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In meinem ersten Artikel (Krieg der Falten- Der Umgang der Schönheitsindustrie mit der ersten Falte) habe ich mich mit gängigen Schönheitsidealen und Anti- Aging- Produkten in Bezug auf den weiblichen Körper beschäftigt. Während ich dabei über­wiegend die Sicht der Schönheitsindustrie und der Medien in den Vordergrund gestellt habe, möchte ich mich nun der Gruppe der Konsumenten zuwenden. Dafür habe ich nicht nur Frauen, sondern auch Männer im Alter zwischen 20-50 Jahren befragt. Die Altersspanne um­fasst Menschen, die sich noch nicht oder schon aktiv mit der ersten Falte beschäftigen. Mir war wichtig zu untersuchen, wie die Befragten diesen Übergang für sich selber und für andere wahrnehmen.

Männer dürfen Falten haben. Frauen nicht. Punkt. Das ist eine These, welche ich in meiner Umfrage hinterfragen wollte. Die unter 30- jährigen weiblichen Befragten sind da geteilter Meinung: „Vollkommener Blödsinn, aber die Gesellschaft erwartet von uns Frauen, dass wir perfekt aussehen sollen“, kritisiert eine 23- Jährige. Auch andere Frauen äußern sich ähnlich. So lässt sich insgesamt in der Befragung eine Diskrepanz zwischen der eigenen Meinung und dem vorherrschenden Gesellschaftsbild feststellen. Auch die über 30- jährigen Frauen sehen die These aus unterschiedlicher Sicht: „Aussehen spielt in der Gesellschaft eine große Rolle. Attraktivität und jugendliches Aussehen werden angestrebt […] Falten bei Frauen werden weniger akzeptiert als bei Männern.“ Aber eben auch: „Für mich dürfen auch Frauen Falten haben. Ich will mit 50 nicht wie eine 20-jährige aussehen. Entspricht nicht meinem Charak­ter.“ Doch wieso dominiert diese These in einem so großen Maß unser Handeln? Die 20-50-jährigen Männer sind der Meinung, dass die Schönheits- und Kosmetikindustrie ihre Finger dabei im Spiel hat und unser Verständnis von Schönheit prägt und lenkt. Doch warum setzen sich solche Schönheitsideale in unseren Köpfen fest? „Dahinter steht der Wunsch nach ewi­ger Jugend, evtl. auch der Traum nach einem endlosen Leben. Wenn man immer jung bleibt, kann man nicht ans Lebensende gelangen“, bemerkt eine 23- Jährige Befragte. Doch wer beeinflusst uns eigentlich genau? Auf die Frage, ob Männer Einfluss auf das Körper-/Hautbefinden der Frau haben, gehen die Meinungen der 30- 50 Jährigen Frauen auseinander. Einige stimmen dem zu, vor allem wenn sie ausgehen. Aber nicht nur Männer haben Einfluss auf das Schönheitsbefinden des weiblichen Geschlechts, sondern auch andere Frauen und dabei braucht man „Selbstbewusstsein, um äußeren Einflüssen widerstehen zu können.“

Um möglichst lange eine glatte und straffe Haut zu haben, gaben die weiblichen Teilnehmer über 30 Jahre an, Gesichts-Peelings, Anti- Aging- Cremes, Feuchtigkeitsmasken oder Augen­cremes zu benutzen, um der Faltenbildung vorzubeugen oder zu vermindern. Die Frauen unter 30 Jahren nutzen dagegen jedoch überwiegend feuchtigkeitsspendende Tagescremes oder Sonnencreme gegen UV- Strahlung. Das Benutzen von Anti-Aging- Cremes und Peelings ist eine Methode, um Falten zu bekämpfen, doch würde man sich dafür auch unters Messer le­gen? Schönheitschirurgie wird bei den unter 30- Jährigen als legitim angesehen, wenn dadurch körperliche Schmerzen, wie Rückenbeschwerden bei zu großen Brüsten, oder die Folgen eines Gewichtsverlusts behoben werden können. Sowohl den befragten Frauen als auch den Männern ist es dabei wichtig, dass der operierte Körper danach noch natürlich aus­sieht und das wahre Alter zu erkennen ist. Andere sehen die Verjüngung im Alter als sinnlos an. Die 20-50 jährigen Frauen und Männer finden Schönheitsoperationen legitim, sofern es nicht übertrieben wirkt und sich die Frau dadurch besser fühlt. Als No-Go sehen die befragten Männer zwischen 20-50 Jahren Frauen an, die sich ständig unters Messer legen und durch viele Operationen puppenhafte Gesichtszüge bekommen. Männer über 30 Jahren sehen schönheitsbedingte, plastische Eingriffe bei einer sich normal ernährenden und sich durch Sport fit haltenden Frau generell als nicht notwendig an.

Die Umfrage hat gezeigt, dass die befragten Frauen zwischen 20-30 Jahren Falten im Alter deutlich positiver bewerten als Frauen von 30-50 Jahren. Es scheint als stehen die jungen Frauen zwischen 20-30 Jahren den Schönheitsnormen distanzierter gegenüber als die Gruppe der 30-50 jährigen Frauen. Diese spüren den gesellschaftlichen Druck, möglichst lange falten­frei zu sein, deutlich stärker. Die Umfrage hat gezeigt, dass sich Frauen innerhalb der moder­nen westlichen Gesellschaft – trotz eines langsamen Wandels – immer noch in den Begrenzungen gängiger Schönheitsnormen gefangen sehen. Interessant wäre zu beobachten, ob sich die Meinung der Frauen zwischen 20-30 Jahren in zehn Jahren an die Meinung der heute 30-50 Jährigen angepasst hat, oder ob sich tatsächlich langsam eine Gruppe von Menschen heraus­bildet, welche ein neues Normsystem in Sachen Schönheit zu vertreten versucht.

 

 

Krieg der Falten – Der Umgang der Schönheitsindustrie mit der ersten Falte

DSC_4230Fit für den Strand?! Dieser Slogan auf dem Cover einer Modezeitschrift für Frauen, macht mir sofort ein schlechtes Gewissen. Automatisch projiziere ich diese Frage auf meinen Körper und gestehe mir ein: „Naja, da lässt sich si­cher noch etwas machen.“ und im selben Moment frage ich mich: „Wieso denke ich überhaupt so?“Das hat einen simplen Grund. Schönheitsnormen werden in unserer Gesellschaft durch physische Körpermerkmale definiert. Jugendliches Aussehen, ein durchtrai­nierter Körper und eine straffe makellose Haut beschreiben die Schönheitsideale der westli­chen Ge­sellschaft, an denen sich Frauen unterschiedlicher Altersklassen orien­tieren. Diese Ideale stehen für Aktivität und Vitalität und lassen keinen Platz für Nor­mabweichungen. Ver­stärkt wird dieser Druck der optischen Anpassung von der Kosmetik- und Schön­heitsindust­rie. Anti-Aging Produkte, Botox oder plastische Eingriffe sollen Alterszeichen der Haut be­kämpfen und möglichst lange hinauszö­gern. Alternde Haut, wie Fal­ten und Altersflecke, wird damit automatisch als etwas Negatives dargestellt. Die Haut und der Körper müssen geformt werden, damit frau ihr jugendliches Äußeres möglichst lange beibehalten kann, um so ihren Platz in der Gesellschaft zu sichern[1].Aus biologischer Sicht fängt die Haut bereits ab dem 25. Lebensjahr an zu altern[2]. Die Durch­blutung der unteren Hautschichten funktioniert nicht mehr so gut und die Pro­duktion der Ei­weißstoffe, wie Elastin und Kollagen, welche als Wasserspeicher die Haut polstern und straf­fen, nimmt ab[3]. Dadurch wird die Haut schlaff und trocken. Aber auch äußere Einflüsse lassen Altersfalten entstehen. Dabei spielen beispiels­weise Ernährung, Stress und Sonneneinstrah­lung eine entscheidende Rolle. Um die vermehrte Faltenbildung im Alter vorzubeugen, wird eine vitaminreiche Ernährung empfohlen. Außerdem sollte man auf ausreichend Schlaf ach­ten, die unge­schützte Haut keiner langen Sonneneinstrahlung aussetzen und auf den übermäßi­gen Konsum von Zigaretten verzichten[4]. Diese Anti-Falten-Tipps spiegeln die körperli­che Normvorstellung (gesundes und vitales Körperbild) der modernen westlichen Gesellschaft wider, aber auch die sich veränderte Lebensweise der Menschen heute. Sie leben bewusster, indem sie Sport treiben, auf eine gesunde Ernährung achten, um auch im fortge­schrittenen Alter Fitness und Jugendlichkeit ausstrahlen zu können.

Anti-Aging- Produkte, Botox, Laser und Skalpell versuchen heute, dem Alter die Falte zu nehmen. Ziel der Schönheitsprodukte und -behandlungen ist es, die alternde Haut in eine ju­gendliche Version ihrer selbst zurückzuversetzen, beziehungsweise das jugendliche Aussehen der Haut möglichst lange beizubehalten. Bei dem Besuch ei­nes Schönheitschirurgen wird frau automatisch als Patient bezeichnet, das Alter und die Falte also zu einer Art Krankheit erklärt, die es zu heilen gilt[5]. Verdeut­licht wird dieses Verständnis auch durch die Werbung in Print­medien oder dem Fernsehen. Hier lächeln einem junge Frauen mit einer glatten, straffen Haut entgegen und werben für eine Anti-Falten-Creme mit dem Slogan: Vergessen Sie ihr Alter. Sie haben keine Falten, die es verraten.[6] Die Wer­bung vermittelt dabei eine klare Botschaft: Wer schön sein will, muss jung sein. Mitt­lerweile gibt es aber auch Gegenbewegun­gen, wel­che dieses Schönheitsideal in Frage stellen. Die Marke Dove wirbt für seine Pro Age-Linie mit älteren Models, wodurch das Schönheitsideal nun auch einen alternden Körper umfasst. Models mit Falten und grauen Haaren sind mittlerweile auch auf den Laufstegen zu finden[7].

Unser Verständnis von weiblicher Schönheit sollte nicht mehr länger an gesellschaft­liche Normvorstel­lungen gebunden sein. Eine Norm entsteht, wenn die Mehrheit der Menschen einer Gesellschaft zu einem bestimmten Thema dieselbe Meinung herausgebildet hat. Es ist schwierig, nachfolgend diese Norm innerhalb dieser Gruppe von Menschen zu verändern, oder sich von ihr zu distanzieren. Deshalb ist es notwendig, dass eine neue Gruppe von Men­schen innerhalb unserer Gesellschaft Normen schafft und verbreitet, die sich an einem neuen Schönheitsbild der Frau orientieren. Nicht an jugendlichem Aussehen und straffer Haut, son­dern an der Individualität der Frau – egal ob mit grauem Haar oder Falten.

 

[1] Vgl. Höppner, Grit: Alt und Schön. Geschlecht und Körperbilder im Kontext neoliberaler Gesellschaften, Wiesbaden 2011, S. 46.

[2] Vgl.: Vgl. Fiedler, Kathrin; Lehmann-Kilic, Christine: „Ich werde nie älter als 28 aussehen und es wird Donald ein Vermögen kosten. Zur Leugnung von Alter in der ästhetischen Chirurgie. In: Grauzonen. Ethnographische Variationen über die letzten Lebensabschnitte, hg. von Friedemann Schmoll, Tübingen 2002, S. 67.

[3] Vgl. Ebd. S. 67ff.

[4] Vgl.: Janning, Martina: Faltenglätter – Wundermittel oder Märchenstoff? In: Stern online, URL: http://www.stern.de/gesundheit/haut/aesthetik/anti-aging-faltenglaetter—wundermittel-oder-maerchenstoff–3754406.html, Datum des letzten Zugriffs: 22.07.2015.

[5] Vgl. dazu auch: Fiedler, Kathrin; Lehmann-Kilic, Christine, 2002, S. 73.

[6] Vgl.: Ebd. S. 233.

[7] Iris Apfel (93) beispielsweise modelt für die Schmuckmarke Alexis Bittar und Eveline Hall (69) modelte bereits für Jean Paul Gaultier. Zudem gibt es Modelagenturen, welche sich auf die Vermittlung von Senioren- Models, auch „Best Ager“ (+45) genannt, spezialisiert hat.