Faltenschönheit

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In meinem ersten Artikel (Krieg der Falten- Der Umgang der Schönheitsindustrie mit der ersten Falte) habe ich mich mit gängigen Schönheitsidealen und Anti- Aging- Produkten in Bezug auf den weiblichen Körper beschäftigt. Während ich dabei über­wiegend die Sicht der Schönheitsindustrie und der Medien in den Vordergrund gestellt habe, möchte ich mich nun der Gruppe der Konsumenten zuwenden. Dafür habe ich nicht nur Frauen, sondern auch Männer im Alter zwischen 20-50 Jahren befragt. Die Altersspanne um­fasst Menschen, die sich noch nicht oder schon aktiv mit der ersten Falte beschäftigen. Mir war wichtig zu untersuchen, wie die Befragten diesen Übergang für sich selber und für andere wahrnehmen.

Männer dürfen Falten haben. Frauen nicht. Punkt. Das ist eine These, welche ich in meiner Umfrage hinterfragen wollte. Die unter 30- jährigen weiblichen Befragten sind da geteilter Meinung: „Vollkommener Blödsinn, aber die Gesellschaft erwartet von uns Frauen, dass wir perfekt aussehen sollen“, kritisiert eine 23- Jährige. Auch andere Frauen äußern sich ähnlich. So lässt sich insgesamt in der Befragung eine Diskrepanz zwischen der eigenen Meinung und dem vorherrschenden Gesellschaftsbild feststellen. Auch die über 30- jährigen Frauen sehen die These aus unterschiedlicher Sicht: „Aussehen spielt in der Gesellschaft eine große Rolle. Attraktivität und jugendliches Aussehen werden angestrebt […] Falten bei Frauen werden weniger akzeptiert als bei Männern.“ Aber eben auch: „Für mich dürfen auch Frauen Falten haben. Ich will mit 50 nicht wie eine 20-jährige aussehen. Entspricht nicht meinem Charak­ter.“ Doch wieso dominiert diese These in einem so großen Maß unser Handeln? Die 20-50-jährigen Männer sind der Meinung, dass die Schönheits- und Kosmetikindustrie ihre Finger dabei im Spiel hat und unser Verständnis von Schönheit prägt und lenkt. Doch warum setzen sich solche Schönheitsideale in unseren Köpfen fest? „Dahinter steht der Wunsch nach ewi­ger Jugend, evtl. auch der Traum nach einem endlosen Leben. Wenn man immer jung bleibt, kann man nicht ans Lebensende gelangen“, bemerkt eine 23- Jährige Befragte. Doch wer beeinflusst uns eigentlich genau? Auf die Frage, ob Männer Einfluss auf das Körper-/Hautbefinden der Frau haben, gehen die Meinungen der 30- 50 Jährigen Frauen auseinander. Einige stimmen dem zu, vor allem wenn sie ausgehen. Aber nicht nur Männer haben Einfluss auf das Schönheitsbefinden des weiblichen Geschlechts, sondern auch andere Frauen und dabei braucht man „Selbstbewusstsein, um äußeren Einflüssen widerstehen zu können.“

Um möglichst lange eine glatte und straffe Haut zu haben, gaben die weiblichen Teilnehmer über 30 Jahre an, Gesichts-Peelings, Anti- Aging- Cremes, Feuchtigkeitsmasken oder Augen­cremes zu benutzen, um der Faltenbildung vorzubeugen oder zu vermindern. Die Frauen unter 30 Jahren nutzen dagegen jedoch überwiegend feuchtigkeitsspendende Tagescremes oder Sonnencreme gegen UV- Strahlung. Das Benutzen von Anti-Aging- Cremes und Peelings ist eine Methode, um Falten zu bekämpfen, doch würde man sich dafür auch unters Messer le­gen? Schönheitschirurgie wird bei den unter 30- Jährigen als legitim angesehen, wenn dadurch körperliche Schmerzen, wie Rückenbeschwerden bei zu großen Brüsten, oder die Folgen eines Gewichtsverlusts behoben werden können. Sowohl den befragten Frauen als auch den Männern ist es dabei wichtig, dass der operierte Körper danach noch natürlich aus­sieht und das wahre Alter zu erkennen ist. Andere sehen die Verjüngung im Alter als sinnlos an. Die 20-50 jährigen Frauen und Männer finden Schönheitsoperationen legitim, sofern es nicht übertrieben wirkt und sich die Frau dadurch besser fühlt. Als No-Go sehen die befragten Männer zwischen 20-50 Jahren Frauen an, die sich ständig unters Messer legen und durch viele Operationen puppenhafte Gesichtszüge bekommen. Männer über 30 Jahren sehen schönheitsbedingte, plastische Eingriffe bei einer sich normal ernährenden und sich durch Sport fit haltenden Frau generell als nicht notwendig an.

Die Umfrage hat gezeigt, dass die befragten Frauen zwischen 20-30 Jahren Falten im Alter deutlich positiver bewerten als Frauen von 30-50 Jahren. Es scheint als stehen die jungen Frauen zwischen 20-30 Jahren den Schönheitsnormen distanzierter gegenüber als die Gruppe der 30-50 jährigen Frauen. Diese spüren den gesellschaftlichen Druck, möglichst lange falten­frei zu sein, deutlich stärker. Die Umfrage hat gezeigt, dass sich Frauen innerhalb der moder­nen westlichen Gesellschaft – trotz eines langsamen Wandels – immer noch in den Begrenzungen gängiger Schönheitsnormen gefangen sehen. Interessant wäre zu beobachten, ob sich die Meinung der Frauen zwischen 20-30 Jahren in zehn Jahren an die Meinung der heute 30-50 Jährigen angepasst hat, oder ob sich tatsächlich langsam eine Gruppe von Menschen heraus­bildet, welche ein neues Normsystem in Sachen Schönheit zu vertreten versucht.