Krieg der Falten – Der Umgang der Schönheitsindustrie mit der ersten Falte

DSC_4230Fit für den Strand?! Dieser Slogan auf dem Cover einer Modezeitschrift für Frauen, macht mir sofort ein schlechtes Gewissen. Automatisch projiziere ich diese Frage auf meinen Körper und gestehe mir ein: „Naja, da lässt sich si­cher noch etwas machen.“ und im selben Moment frage ich mich: „Wieso denke ich überhaupt so?“Das hat einen simplen Grund. Schönheitsnormen werden in unserer Gesellschaft durch physische Körpermerkmale definiert. Jugendliches Aussehen, ein durchtrai­nierter Körper und eine straffe makellose Haut beschreiben die Schönheitsideale der westli­chen Ge­sellschaft, an denen sich Frauen unterschiedlicher Altersklassen orien­tieren. Diese Ideale stehen für Aktivität und Vitalität und lassen keinen Platz für Nor­mabweichungen. Ver­stärkt wird dieser Druck der optischen Anpassung von der Kosmetik- und Schön­heitsindust­rie. Anti-Aging Produkte, Botox oder plastische Eingriffe sollen Alterszeichen der Haut be­kämpfen und möglichst lange hinauszö­gern. Alternde Haut, wie Fal­ten und Altersflecke, wird damit automatisch als etwas Negatives dargestellt. Die Haut und der Körper müssen geformt werden, damit frau ihr jugendliches Äußeres möglichst lange beibehalten kann, um so ihren Platz in der Gesellschaft zu sichern[1].Aus biologischer Sicht fängt die Haut bereits ab dem 25. Lebensjahr an zu altern[2]. Die Durch­blutung der unteren Hautschichten funktioniert nicht mehr so gut und die Pro­duktion der Ei­weißstoffe, wie Elastin und Kollagen, welche als Wasserspeicher die Haut polstern und straf­fen, nimmt ab[3]. Dadurch wird die Haut schlaff und trocken. Aber auch äußere Einflüsse lassen Altersfalten entstehen. Dabei spielen beispiels­weise Ernährung, Stress und Sonneneinstrah­lung eine entscheidende Rolle. Um die vermehrte Faltenbildung im Alter vorzubeugen, wird eine vitaminreiche Ernährung empfohlen. Außerdem sollte man auf ausreichend Schlaf ach­ten, die unge­schützte Haut keiner langen Sonneneinstrahlung aussetzen und auf den übermäßi­gen Konsum von Zigaretten verzichten[4]. Diese Anti-Falten-Tipps spiegeln die körperli­che Normvorstellung (gesundes und vitales Körperbild) der modernen westlichen Gesellschaft wider, aber auch die sich veränderte Lebensweise der Menschen heute. Sie leben bewusster, indem sie Sport treiben, auf eine gesunde Ernährung achten, um auch im fortge­schrittenen Alter Fitness und Jugendlichkeit ausstrahlen zu können.

Anti-Aging- Produkte, Botox, Laser und Skalpell versuchen heute, dem Alter die Falte zu nehmen. Ziel der Schönheitsprodukte und -behandlungen ist es, die alternde Haut in eine ju­gendliche Version ihrer selbst zurückzuversetzen, beziehungsweise das jugendliche Aussehen der Haut möglichst lange beizubehalten. Bei dem Besuch ei­nes Schönheitschirurgen wird frau automatisch als Patient bezeichnet, das Alter und die Falte also zu einer Art Krankheit erklärt, die es zu heilen gilt[5]. Verdeut­licht wird dieses Verständnis auch durch die Werbung in Print­medien oder dem Fernsehen. Hier lächeln einem junge Frauen mit einer glatten, straffen Haut entgegen und werben für eine Anti-Falten-Creme mit dem Slogan: Vergessen Sie ihr Alter. Sie haben keine Falten, die es verraten.[6] Die Wer­bung vermittelt dabei eine klare Botschaft: Wer schön sein will, muss jung sein. Mitt­lerweile gibt es aber auch Gegenbewegun­gen, wel­che dieses Schönheitsideal in Frage stellen. Die Marke Dove wirbt für seine Pro Age-Linie mit älteren Models, wodurch das Schönheitsideal nun auch einen alternden Körper umfasst. Models mit Falten und grauen Haaren sind mittlerweile auch auf den Laufstegen zu finden[7].

Unser Verständnis von weiblicher Schönheit sollte nicht mehr länger an gesellschaft­liche Normvorstel­lungen gebunden sein. Eine Norm entsteht, wenn die Mehrheit der Menschen einer Gesellschaft zu einem bestimmten Thema dieselbe Meinung herausgebildet hat. Es ist schwierig, nachfolgend diese Norm innerhalb dieser Gruppe von Menschen zu verändern, oder sich von ihr zu distanzieren. Deshalb ist es notwendig, dass eine neue Gruppe von Men­schen innerhalb unserer Gesellschaft Normen schafft und verbreitet, die sich an einem neuen Schönheitsbild der Frau orientieren. Nicht an jugendlichem Aussehen und straffer Haut, son­dern an der Individualität der Frau – egal ob mit grauem Haar oder Falten.

 

[1] Vgl. Höppner, Grit: Alt und Schön. Geschlecht und Körperbilder im Kontext neoliberaler Gesellschaften, Wiesbaden 2011, S. 46.

[2] Vgl.: Vgl. Fiedler, Kathrin; Lehmann-Kilic, Christine: „Ich werde nie älter als 28 aussehen und es wird Donald ein Vermögen kosten. Zur Leugnung von Alter in der ästhetischen Chirurgie. In: Grauzonen. Ethnographische Variationen über die letzten Lebensabschnitte, hg. von Friedemann Schmoll, Tübingen 2002, S. 67.

[3] Vgl. Ebd. S. 67ff.

[4] Vgl.: Janning, Martina: Faltenglätter – Wundermittel oder Märchenstoff? In: Stern online, URL: http://www.stern.de/gesundheit/haut/aesthetik/anti-aging-faltenglaetter—wundermittel-oder-maerchenstoff–3754406.html, Datum des letzten Zugriffs: 22.07.2015.

[5] Vgl. dazu auch: Fiedler, Kathrin; Lehmann-Kilic, Christine, 2002, S. 73.

[6] Vgl.: Ebd. S. 233.

[7] Iris Apfel (93) beispielsweise modelt für die Schmuckmarke Alexis Bittar und Eveline Hall (69) modelte bereits für Jean Paul Gaultier. Zudem gibt es Modelagenturen, welche sich auf die Vermittlung von Senioren- Models, auch „Best Ager“ (+45) genannt, spezialisiert hat.