Archiv des Autors: Isabel

Farben in Redewendungen

In Lexika für Redewendungen[1] und im Internet finden sich unzählige Idiome[2] mit Farben. Grün vor Neid werden, das Blaue vom Himmel lügen, noch grün hinter den Ohren sein oder sich schwarz ärgern. Passend dazu werden Erklärungen angeboten, welche auf einem früheren kulturellen Habitus basieren oder sich auf gängige und anscheinend als bekannt vorausgesetzte Symbolik der Farben stützen.

Meine befragten Personen (17 Personen im Alter zwischen 19 und 63 Jahren) konnten spontan mehrere Redewendungen mit Farbnennungen aufzählen, doch alle verneinten die Verwendung dieser im Alltag. Der Duden Jugendsprache hat mir gezeigt, wie selten auch die kreative Jugend Farben in der Gegenwartssprache benutzen. Dabei bin ich auf den Ausdruck „geh bei grün“ gestossen. Ich liess ihn von mehreren Jugendlichen verifizieren und mir folgende Erklärung geben: sich entspannen. Und die „blaue Fliese“ ist ein Geldschein. Dies sei aber mehr ein Passiv-Wissen als ein aktiv verwendeter Ausdruck.

Im täglichen Sprachgebrauch werden Farben in Idiomen anscheinend kaum benutzt, obwohl manche bekannt wären. Deswegen stellte ich meinen Befragten die Hausaufgabe, zwei Wochen lang auf Farbnennungen im Alltag zu achten. Die Observation ergab, dass altehrwürdige Redewendungen bloss noch selten gebraucht werden. Einen grünen Daumen haben und blau sein sind die einzig aktiv benutzten, welche bereits lange genug existieren, als dass Erläuterungen dazu in Lexika zu Redewendungen oder ähnlichen Nachschlagewerken zu finden sind. Ach du grüne Neune! wurde ebenfalls benutzt. Aber nur von mir, da ich bei meinen Recherchen auf diesen Ausdruck gestossen bin und beschlossen habe, ihn zu resozialisieren. Die übrigen von den Befragten genannten Wendungen, welche auf Farben rekurrieren, sind im Verhältnis zu den bekannten und bereits genannten Redewendungen modern:

Halbgott in Weiss

braunes Gedankengut (http://www.wuv.de/agenturen/das_braune_muss_weg_draftfcb_kaempft_gegen_rechts)

Die Grünen (Partei)

graues Mäuschen

das kleine Schwarze

einen grünen Daumen haben

das Rotlicht-Viertel

die rosa Brille

kreidebleich

graue Zellen

goldig

Gold wert

schwarzer Humor

ein Schwarzer (Kaffee)

ein Schwarzer (Mensch) (http://derfantast.wordpress.com/2013/09/28/ich-werde-rennen-wie-ein-schwarzer)

ein Farbiger (Mensch)

ein kühles Blondes (Bier)

schwarz fahren

Dazu kamen fünf individuelle Eigenkreationen, die von einzelnen Personen verwendet werden und sich mit ein wenig Glück vielleicht  durchsetzen und in 50 Jahren in Werken über Idiome Erwähnung finden:

Tante Rosa ist zu Besuch (die Menstruation) (https://www.eigengut.de/taschen/tampontaschen/tampontasche-tante-rosa-2)

grünes Gold (Marihuana)

grüne Hölle (Dschungel)

Ameisenfarbe (eine bestimmte Farbe von Kleidern)

jemand hat ein schwarzes Loch im Kopf(dumm)/Bauch(kann unglaublich viel essen).

Die modernen Wendungen sind kürzer und oft mit substantivierten Adjektiven ausgestattet. Auffallend ist ausserdem der kreative Aspekt oder der ironisch durchbrochene Unterton, der mitschwingt. Auch sind vermehrt Bezüge zu aktuellen Wissensbestände aus Naturwissenschaften zu finden, wie bei den grauen Zellen und dem schwarzen Loch. Die Thematiken der neuen Redewendungen deuten auch auf Wandlungen in verschiedenen Bereichen unserer Gesellschaft hin – neu kommen Alkohol und Drogen, Mode und politische Korrektheit, Wissenschaft und Politik vor.

Obwohl feststehende Idiome nach wie vor bekannt sind, lobt niemand mehr jemanden über den grünen Klee oder fährt ins Blaue. Aber man kann nun mit dem kleinen Schwarzen bekleidet über den roten Teppich wandeln und dabei ein kühles Blondes trinken.

 

 



[1] Duden-Definition: feste Verbindung von Wörtern, die zusammen eine bestimmte, meist bildliche Bedeutung haben; Wendung

[2] Duden-Definition: feste Verbindung, feste Wendung, [Rede]wendung, Wortgruppe; (Sprachwissenschaft) Fügung, idiomatische Wendung, Kollokation, Phraseologismus, Wortfügung, Wortgruppenlexem

Farben in Märchen

Der ausführliche Eintrag Farben, Farbsymbolik in der Enzyklopädie des Märchens lässt vermuten, dass sämtliche Märchen und Sagen nicht ohne farbliche Akzentuierungen auskommen können. Denn nicht nur dekorative, sondern auch symbolische Züge werden der Farbgebung in Volkserzählungen angehaftet, und die Bedeutung einzelner Farben und Farbkombinationen können auf Bräuche und kulturgeschichtliche Zusammenhänge hin  untersucht werden.  Es werden auffällige Farbnennungen aufgezeigt, sehr oft aus den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, und ihnen eine Vielzahl an verschiedenen Bedeutungen zugeschrieben. So ist Rot beispielsweise die Farbe des Lebens, des Todes, der Freude und des Glanzes, des Zorns und Verrates. Aber es wird auch mit Prunk und Königtum in Verbindung gebracht, mit lebhaftem Ausdruck für Freude und Festlichkeiten und es ist die Farbe der magischen Welt, weil Zwerge, Feen und Riesen oft rote Kleidung tragen. Gleichzeitig ist Rot auch ein Zeichen von Gefahr, also mit Tod und mit Krieg assoziiert. „Ein Strom roten Blutes signalisiert Tod oder Verwundung […]“[1], deutet die Autorin des Beitrags. So beisst auch Schneewittchen in die rote Hälfte des Apfels – nicht in die grüne –  und fällt tot nieder. „Weiss wie Schnee, rot wie Blut, schwarz wie Ebenholz!“, ruft die böse Königin dabei.

Doch: Wie werden Farben in der modernen und auch freien Märchenerzählung gehandhabt? Untersucht wurden dafür Märchenbücher, welche in Bibliotheken und Buchhandlungen zu finden waren sowie die Erzählweise  von 28 Elternpaaren. Die Auswahl der Märchen wurde dabei den Eltern überlassen. Ausgewählt wurden ausschliesslich Märchen der Brüder Grimm, meist Schneewittchen, Aschenputtel, die Schöne und das Biest und Rapunzel.

Die gefundenen Märchenbücher versammeln vor allem die altbekannten und neu illustrierten Märchen der Brüder Grimm und von Andersen. Wurde auf ebendiese genannten Stoffe zurückgegriffen, waren sie allesamt in der typischen, altertümlich anmutenden Sprache gehalten und kaum modifiziert. Für moderne Erzählungen, die man zu den Märchen zählen könnte, wurde der Begriff dieses Genres nicht gerne bemüht. Drei von mir als exemplarisch empfundene Märchenbücher sollen im folgenden vorgestellt werden:

Das grosse Märchenbuch[2] ist mit Märchen verschiedener Sammler und Autoren gefüllt (auch hier zumeist der Brüder Grimm oder Andersen, Märchen anderer Autoren wurden mit „nordisches Märchen“ o.ä. deklariert), und auf beinahe jeder Seite ist zumindest eine kleine, in bleistifthaftem, grauen Skizzen-Stil gehaltene Illustration zu finden. Ganzseitige Zeichnungen scheinen aquarell eingefärbt zu sein. Es gibt keine gleichfarbig deckend ausgefüllte Flächen, die Bilder sind mehrheitlich in dunklen Tönen gehalten mit kleinen, heller leuchtenden Stellen. Eine solche Zeichnung zeigt Schneewittchen, doch ohne auffällige Akzentuierung ihrer charakteristischen äusserlichen Merkmale. Sie ist sehr bleich und die Haare sehr dunkel, doch ihre Schönheit, welche im Text durch die Farben hervorgehoben und begründet wird, sticht in der Zeichnung nicht sonderlich hervor (Link zu Buch: www.diogenes.ch/leser/katalog/a-z/g/9783257006858/buch

Ein anderes Märchenbuch[3] erzählt  die Grimmschen Märchen stark vereinfacht, in vier Farben und ohne Worte: es braucht nur Rot, Schwarz, Weiss, Grün. Dabei lassen sich die Geschichte alle adäquat abbilden. Schneewittchens Haare sind schwarz, die Lippen rot und die Haut weiss. Bloss der Goldesel in Tischlein deck dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack kann nicht in einem Eselgrau abgebildet werden. Ausgewichen wird auf Weiss und Schwarz (Link zum Buch: www.dumont-buchverlag.de/buch/Frank_Floethmann_Grimms_Maerchen_ohne_Worte/14041)

Das dritte Buch[4] scheint die Märchen der Brüder Grimm zu parodieren. Im Schneewittchen-Märchen ist nicht die typische Protagonistin die schönste, sondern diverse unbekannte Frauen – denn der Status der schönsten Frau hängt vom Betrachter und dessen Vorlieben ab und ist nicht allgemein bestimmbar.  Das Märchen wird von einer Schwarz-Weiss-Zeichnung illustriert und kommt ohne jegliche Farbe bei der Bezeichnung der Schönheiten aus (Link zum Buch: www.luftschacht.com/produkt/michael-roher-elisabeth-steinkellner-wer-furchtet-sich-vorm-lila-lachs/).

Werden allein Märchenbücher betrachtet, ist auffällig, dass inhaltlich kaum Modifizierung stattfand. Es kommen also zumeist dieselben Farben im selben Kontext vor, wie es im Lexikoneintrag vermerkt ist. Die Illustrationen der meisten Märchenbücher gehen aber auffällig  selten auf die anscheinend so wichtige Farbgebung ein.

Für die Befragung wurden die Eltern gebeten, ihnen bekannte Märchen frei zu erzählen. Tatsächlich waren einige bekannte Märchen dabei, welche bereits Farben im Titel tragen wie Rotkäppchen, Schneeweiss und Rosenrot. 2/3 der Schneewittchen hatten die traditionelle Haut-, Lippen- und Haarfarbe, bei den anderen Eltern war sie einfach nur „wunderschön“. Der verhängnisvolle Apfel aber war  mal rot, mal grün, mal zweifarbig und dann wieder farblos. Man geriet bei Nachfragen betreffend Farbdetails in Streit („Wieso sollte sie in den grünen Apfel beissen?! Da sieht man doch schon, dass der vergiftet ist!“ oder „Vergiftet? Ich dachte, sie hat sich einfach verschluckt…“) und tendierte zu völligem Unverständnis, wenn Blaubarts blauer Bart seinen bösen Charakter hätte anzeigen sollen („Wieso denn böse? Blau steht doch einfach für aussergewöhnlich bei Gesichtsbehaarung.“). Rote Mützen bei Zwergen wurden gar nicht erst erwähnt, ebenso wenig die im Lexikonartikel so prominent hervorgehobenen Dekorationen in bestimmten Farben.

Nur wenn die Märchen begleitend zu einem Märchenbuch erzählt wurden, fand eine vermehrte Nennung der Farben statt. Jedoch so, wie sie auf dem zugehörigen Bild zu finden sind. In die akuelle Umsetzung durch Illustrationen und Erzählen finden also nur wenige, sehr prägnante Farben ihren Einzug.

 

 


[1] Elizabeth Tucker: Farben, Farbsymbolik. In: Kurt Ranke (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zu historischen und vergleichenden Erzählforschung. Band 4, Berlin, de Gruyter 1984. S. 845. 

[2] Tatjana Hauptmann: Das grosse Märchenbuch. 9. Auflage. Zürich, Diogenes 1987.

[3] Frank Flöthmann: Grimms Märchen ohne Worte. Köln, DuMont Buchverlag 2013.

[4] Elisabeth Steinkellner/Michael Roher: Wer fürchtet sich vorm lila Lachs? Wien, luftschaft 2013.