Die Haut(-sinne) in der Sprache: Teil 2

Mein letzter Beitrag (http://blog.kulturding.de/?p=3641)hat mit der groben Diagnose geendet, dass – zumindest in vielen Facetten – die Sprachbilder über die Haut in vergangenen Tagen fundamentale Welterfahrungen beinhalteten. Begonnen hatte ich mit einem Zitat von Ludwig Wittgenstein über die Verknüpfung von Weltsicht und Sprache. Dieser Beitrag will auch – nicht nur der Analogie wegen – mit einem Zitat aus neuerer Zeit starten: „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“ (Niklas Luhmann)

Waren es früher Dichter und Schriftsteller, die Ideen kunstvoll in Sprache verpackten, so sind es heute vor allem Journalisten und Werbetexter, die mit immer neuen Wortkreationen Bilder in die Köpfe der Rezipienten projizieren – wenn nicht von ihnen selbst, so doch wenigstens über deren Kanäle. Neuere Redewendungen oder Sprichwörter über die Haut sucht man allerdings vergeblich. Vielmehr hat man es mit bisher unbekannten Wortverbindungen oder Neologismen zu tun. Möglicherweise schon ein erster Hinweis auf die Oberflächlichkeit, die unsere heutige Sprache über die Haut bereithält.

So sind die Schlagwörter der Stunde nicht mehr Leben, Tod, Schmerz oder Geburt, sondern zumeist Schönheit und Jugend. Blättert man in Lifestyle oder Modemagazinen ist vielfach die Rede von ,Orangen‘- oder ,Pfirsichhaut‘ (gerne auch: ,pfirsichglatte Haut‘), von ,Problem‘- oder ,streichelzarter Haut‘. Der ,faltenfreie Look‘ ist in, weil ,Schönheit auch Hautsache ist‘, wie die Vichy-Werbung weiß (griffiger wäre wohl: ,Hautsache schön“ – geschenkt). Es wird auf ,Hautverträglichkeit‘ geachtet und für die ,sensible Männerhaut‘ gibt es selbstverständlich auch das ein oder andere Mittelchen, um wieder frisch und jung in den Tag zu starten. Da holt man sich am besten auch gleich die nächste ,Sonnenbankbräune‘, um die ,Bildschirmbräune‘ (Jugendwort für blasse Haut eines Computernerds) wieder loszuwerden – man will ja nicht auf der nächstbesten ,Gammelfleischparty‘ (Jugendwort des Jahres 2008 für Ü-30-Party) enden.

All diese ,Hauterlebnisse‘ lösen bei mir zwar keine ,Gänsehautentzündung‘1 aus, aber wenn „die Sprache ein Spiegel des Sozialcharakters ist“2 dann frag ich mich schon, wohin der Exzess der Oberfläche noch führen wird. Bis ich dahinterkomme halte ich mich an den Spruch von Albert Schweitzer: „Mit den Jahren runzelt die Haut, mit dem Verzicht auf Begeisterung aber runzelt die Seele.“

1Diese Worterfindung wird oftmals mit dem Fußballer Mehmet Scholl in Verbindung gebracht, stammt aber ursprünglich von dem Schlager-Barden Mickie Krause. Vgl.: http://www.augsburger-allgemeine.de/sport/wm-2014/Mehmet-Scholl-Danke-fuer-Gaensehautentzuendung-id30379112.html (15.09.2015).

2Weyh, Florian Felix, Die ferne Haut. Wider die Berührungsangst, Berlin 1999, S. 18.