Schmerz der durch die Haut geht – Schmerzwahrnehmung bei Körpermodifikationen

Tätowierungen, Piercings, Ohrringe, Körperschmuck, Implantate und andere Arten der Körpermodifikation führen in allen Fällen immer zu einem Verletzen der Haut und somit zu einem individuellen Schmerzempfinden. Wer sich für eine Körpermodifikation entscheidet, willigt im selben Zuge auch freiwillig in die damit verbunden Schmerzen ein. Diese Selbstschmerzuführung ist, neben den ästhetischen Gründen einer Körpermodifikation, immer ein wichtiger Bestandteil einer derartigen Verletzung der  Haut.¹ Doch wovon ist der Schmerz abhängig und wie genau sehen die Unterschiede in der Schmerzwahrnehmung aus?

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Bild 1: Haut während des Tätowierens.

Im Gespräch mit verschiedenen Personen, die sich bereits tätowiert oder gepierct haben, wurde deutlich, dass das Schmerzempfinden und die Erfahrungen während einer Körpermodifikation, auf unterschiedlichste Weise beschrieben werden. So ist die individuell empfundene Intensität des Schmerzes vor allem von der Körperregion abhängig. Tätowierungen am Knöchel oder unter den Achseln wurden als schmerzhafter beschrieben als am Bauch oder Arm. Bei Piercings, wurde das Ohr als relativ schmerzfrei wahrgenommen und das Piercen der Brustwarze als äußerst unangenehm und sehr schmerzhaft. Ein weiterer angesprochener Aspekt war die Dauer des jeweiligen Schmerzes. So wurde das Tätowieren als weniger schmerzhaft als das Piercen beschrieben. Das Stechen einer Tätowierung an sich dauert jedoch länger als das relativ schnelle Durchstechen der Haut beim Piercen und wird deswegen auf eine völlig andere Weise wahrgenommen.

Im Gespräch mit verschiedenen Personen hat sich außerdem gezeigt, dass Männer und Frauen eine völlig unterschiedliche Wahrnehmung im Hinblick auf Schmerzen und Körpermodifikationen haben. Ebenso ist die grundsätzliche Einstellung zum Thema Schmerz bei Männern und Frauen komplett verschieden. Die jeweils befragten Männer beschrieben  den empfunden Schmerz im Nachhinein als harmlos . „Das ist alles nur halb so wild“ oder „Beim Tätowieren tut das doch gar nicht richtig weh, das ist vielmehr eine Art Kribbeln. Da muss man sich doch nicht anstellen wie ein Mädchen.“ Ein Befragter beschrieb den Schmerz beim Tätowieren sogar als eine Art Befriedigung und als ein positives Gefühl. Laut eigener Aussage freue er sich auf die nächste Sitzung beim Tätowierer. Der Schmerz gehöre für Ihn dazu und sei ein wichtiger Aspekt des Gesamtprozesses, auf den er nicht verzichten möchte.

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Bild 2: Bauchnabelpiercing

Die befragten Frauen hingegen berichteten davon, dass sie großen Respekt vor Tätowieren und Piercen haben.  Die Vorstellung eines bevorstehenden Schmerzes bereitete einigen Frauen sogar Angst „Als ich beim Tätowierer saß und mir klar wurde, dass ich jetzt eigentlich nicht mehr gehen kann, bekam ich schon ein wenig Angst.“ Auch im Nachhinein beschrieben die befragten Frauen den Schmerz oft als etwas Unangenehmes, Schlimmes und eher Negatives. Für die Frauen stand das Endergebnis im Vordergrund und nicht der Akt der Körpermodifikation, auf den Schmerz würden sie auch gerne verzichten, wenn es die Möglichkeit dazu gäbe. Der ausschlaggebende Grund weshalb die Frauen die Schmerzen freiwillig ertragen haben, war in allen Fällen, am Ende Ihren eigenen Körper nach individuellen Vorstellungen zu verschönern. Für die meisten der befragten Frauen sind Piercings und Tätowierungen   „[…]eine rein modische Form der Körperverletzung.“²

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Bild 3: Verwundete Haut

Jedes Verletzten der Haut verursacht auf gewisse Weise Schmerz und somit ist auch jede Art der Körpermodifikation mit Schmerz verbunden. Der Umgang und das Empfinden des Schmerzes ist jedoch etwas Individuelles. Der Schmerz ist situationsabhängig, körperstellenabhängig, von  der jeweiligen Dauer und dem Geschlecht der Person abhängig. Ebenso sind die Gründe, weshalb Menschen diesen Schmerz über sich ergehen lassen, sehr individuell. Im Fall der Körpermodifikation stehen aber in den meisten Fällen die mögliche Verschönerung und Veränderung des eigenen Körpers im Vordergrund.

¹ Löbstädt, Tobias: Narzissmus und Theatralität. Selbstwertgewinn durch die Gestaltung des Körpers. Wiesbaden 2011, S.12.

² Schneider, Anke: „…damit ich mich spüre…“. Zur Symptomgenese und Symptomspezifität selbstverletzenden Verhaltens.  Berlin 2004,  S.175.

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Bild 2: https://pixabay.com/de/body-piercing-haut-bauchnabel-brown-371961/ [letzter Zugriff: 11.09.2015]

Bild 3: https://pixabay.com/de/unfall-bluten-blutungen-743036/ [letzter Zugriff: 11.09.2015]