Frauenunterwäsche als Spiegel der Zeit

Die Unterwäsche der Frauen ­– in unserem Alltag ein dauerhaft präsentes Thema. Durch Werbung und das Warenangebot in den Geschäften und Kaufhäusern wird den Frauen eine scheinbar unendliche Produktpalette dargeboten. Das Angebot variiert in Form, Farbe und Material und vereint dabei mehrere hundert Jahre Kulturgeschichte. Neben den stets währenden funktionalen Gründen von Unterwäsche, nämlich „dem Schutz der Oberbekleidung vor Verunreinigung“ (1) durch den Körper, erfüllt die Damenunterwäsche zusätzliche Funktionen. Sie umhüllt die weiblichen sekundären Geschlechtsmerkmale, bringt diese in Form und betont ggf. die Weiblichkeit durch Verzierungen wie Spitze, Schleifchen und Rüschen.Da sie „versteckt“ untendrunter getragen wurde und in der Vergangenheit ausschliesslich ,privat‘ und höchstens dem Ehemann sichtbar wurde, erhielt die Damenunterwäsche einen erotischen Reiz, den sie sich bis heute bewahrt hat. (2)

Obwohl sie als Unterbekleidung nicht unmittelbar zu sehen ist, spiegelt sich auch im Medium Unterwäsche der ständige Aushandlungsprozess von Männlichkeit und Weiblichkeit wider, da die jeweils aktuelle und ,modische‘ Frauenunterwäsche immer in einer gewissen Abhängigkeit von den in der Gesellschaft bestehenden Geschlechterverhältnissen steht ­ – in der Vergangenheit wie auch im Heute.

So galt beispielsweise das Tragen eines Korsetts als Teil der Unterbekleidung in der Mitte des 19. Jahrhunderts bei Frauen in bürgerlichen Kreisen als ,modisch‘ und ,zivilisiert‘, schränkte sie jedoch sehr stark in ihrer Bewegungsfreiheit ein. Diese Einschränkung erfuhren sie auch in ihrem Alltag, da sie in einer gesellschaftlichen wie ökonomischen Abhängigkeit ihres Ehemannes standen.

Die gesellschaftlichen Veränderungen des 20. Jahrhunderts beeinflussten das Bild der Frau und begründeten die vielen stilistischen Wandlungen ihrer Unterwäsche in diesem Jahrhundert.

Die aufkommende Selbstständigkeit der Frau zu Beginn dieses Jahrhunderts, befördert durch die äußeren Umstände des Ersten Weltkriegs, spiegelte sich unter anderem in einer schlicht und funktional gestalteten Unterwäsche, die die weibliche Silhouette nicht betonte. In den 1930er und 1940er Jahren hingegen wurde der Weiblichkeit der Frau ein neuer Stellenwert in der Gesellschaft zugeschrieben, was sich auch in einer erneut femininer gestalteten Unterwäsche äußerte. (3)

In den 1950er Jahren, die Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs in Deutschland, zeugte die Häuslichkeit der Frau von finanziellem Wohlstand einer Familie. Als modisch galt in dieser Zeit eine eher verspielte Damenunterwäsche mit Spitze und Rüschen, ebenfalls populär waren wieder figurformende Mieder, zudem neue Kunstmaterialien wie Perlon und Nylon. Der Alltag der Frau war auf den Ehemann und die Familie ausgerichtet, die betont verführerische Wäsche sollte auch zum „Wohlwollen“ des Mannes beitragen. (4)

Doch zeigen die 1960er und 1970er Jahre, dass nicht ausschliesslich eine solch aufreizende Unterwäsche in den Schränken der Damen zu finden war. In jener Zeit, in welcher sich auch Frauen aktiv für gesellschaftliche Veränderung einsetzten, legte man Wert auf einfach geschnittene, funktionale Formen, die den Körper nicht einengen sollten. (5) In den 1980er Jahren kehrte die aufreizende und reich verzierte Damenunterwäsche zurück. Zudem wurde die Unterbekleidung auch erstmals als Teil der Oberbekleidung getragen, beispielsweise das Korsett oder in Form der Aerobic-Mode. (6)

Aktuell finden wir ein breites Warenangebot an Damenunterwäsche vor, aus dem frau nach ihren persönlichen Vorlieben wählen kann. Schlicht gehaltene Unterwäsche aus Materialien wie Baumwolle sind ebenso vorhanden wie reich verzierte Spitzenunterwäsche aus Seide oder Kunstmaterialien. Dazwischen lassen sich auch vielerlei Mischformen finden.

Im oben skizzierten Rückblick in die Vergangenheit wurde deutlich, dass die Unterwäsche der Frauen im Zusammenhang zur jeweiligen Zeit und den damaligen Geschlechterverhältnissen stand. Dieser Zusammenhang besteht auch heute noch und bestimmt maßgeblich die Kriterien, nach denen die Frau ihre Unterwäsche auswählt. Um genauer herauszufinden, in welchem Zusammenhang die Auswahl der Frauenunterwäsche mit dem männlichen Geschlecht und den Geschlechterverhältnissen unserer Gesellschaft steht, befragten wir im Rahmen einer kleinen Studie einige Männer zu ihrem Bild von Frauenunterwäsche, was in weiteren Blog-Beiträgen tiefergehend thematisiert wird.

 

(1) Jutta Zander-Seidel: Kleiderwechsel. Frauen-, Männer- und Kinderkleidung des 18. bis 20. Jahrhunderts. Nürnberg 2002. S. 101.

(2) Evelyn Glaser: Von Hemden und Miedern. Zur Geschichte der weiblichen Unterwäsche. In: Christel Köhle-Hezinger, Gabriele Mentges (Hg.): Der neuen Welt ein neuer Rock. Studien zu Kleidung, Körper und Mode an Beispielen aus Württenberg. Stuttgart 1993. S. 208.

(3) Monika Burri: Bodywear. Geschichte der Trikotkleidung, 1850-2000. Zürich 2012. S. 205f.

(4) Dominique Loeding: Vielversprechend: Weibliche Wäsche. In: Torkild Hinrichsen (Hg.): Leibhaftig – Doppelripp und Spitzentraum: Zur Kulturgeschichte der Unterwäsche. Husum 2011. S. 65.

(5) Burri 2012, S. 295.

(6) Burri 2012, S. 370f.