Eine Beobachtung der aktuellen, von Schwarz geprägten Mode in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen am Beispiel einer Chorprobe im März 2016.
Ende März ist es in Kopenhagen noch kalt, aber die Parks und Grünstreifen der Stadt sind übersät mit Frühblühern, sie erscheinen in bunten Farben. Auf den Straßen hingegen Menschen, die fast komplett in Schwarz gekleidet sind. Stellvertretend für sie steht der Chor. Es ist 18 Uhr, als sich die 15 Männer und 30 Frauen im Stadtteil Nørrebro treffen, um gemeinsam zu musizieren. Mehr als Zweidrittel sind unter 30 Jahre alt, über die Hälfte studiert oder arbeitet im Gesundheitssektor. 93 % von ihnen sind Dänen, 6 % Schweden und 1 %, der Autor, deutscher Herkunft. Was nicht nur am Chorleiter auffällt, der an diesem Tag eine schwarze Hose und ein schwarz-graues Oberteil trägt, sind die dunklen und überwiegend gedeckten, unbunten Farben, in denen die Chorsängerinnen gekleidet sind. Nur fünf von ihnen haben dezent farbige Kleidungsstücke an (eine Person davon ist der Autor), zwölf sind sogar komplett in Schwarz gekleidet.
Doch was soll damit ausgedrückt werden? Im Gegensatz zur Entstehung unbunter Farben, sie weisen keine Sättigung oder Farbton auf und zeichnen sich allein durch die Präsenz beziehungsweise Abwesenheit von Licht aus, sind unbunte Farben besonders stark symbolisch aufgeladen. (vgl. dazu auch den hier in diesem Blog erschienenen Beitrag von Sebastian Hennies: „Wear the black!“ Farbe als Kommunikationsmittel in der Mode anhand des Schwarz-Weiß-Dualismus in einer Szene aus der Serie „House of Cards“). Der Psychologe und Farbtherapeut Max Lüscher schreibt den Schwarz-Anhängern „einen eigensinnigen Anspruch auf Geltung“ zu.[1] Dagegen steht die Eigeneinschätzung eines befragten Sängers: „Es ist die neutralste Möglichkeit, sich anzuziehen.“ Das zeigt sich auch in der Wahl des Schmucks bei den komplett in Schwarz gekleideten Sängerinnen: zwei von ihnen tragen nur eine kleine, unauffällig und grazil wirkende Kette, eine Sängerin kleine Ohrstecker, der Rest von ihnen ist schmuckfrei. Steht dahinter also eher ein Anspruch auf eine erschwingliche und nicht ausgrenzende Mode für eine Gesellschaft, wie es schon der demokratische Ansatz mit anderen skandinavischen Designobjekten versucht?
„Ich besitze gar nichts anderes außer schwarze Kleidung“, äußerte neulich ein dänischer Bekannter im Gespräch mit dem Autor über seinem Kleiderschrank. Warum der nicht auch andere Farben beinhalte, kann er nicht wirklich begründen. „Schwarz gefällt mir einfach“, meint er und lächelt. Ein anderer habe heute Morgen einfach nicht darüber nachgedacht, natürlich habe er auch etwas Buntes im Kleiderschrank. Woher die Vorliebe der Dänen für die Farbe Schwarz käme, wisse er auch nicht, es sei einfach elegant, minimalistisch und zeitlos. Er verweist dabei auf das „kleine Schwarze“, das an diesem Tag auch zwei Sängerinnen tragen. So ähnlich gestalten sich ebenfalls die Antworten anderer Befragter. Neben dem Eleganten, Minimalistischen und Zeitlosen, das Schwarz für sie ausdrücke, sei auch die aktuelle Mode von „vielen schönen Stücken in Schwarz“ dominiert. Warum gerade Skandinavier, die bedingt durch die Jahreszeiten viel dunkle Monate erleben, sich auch noch in dunklen, unbunten Farben kleiden, bleibt offen. Auch der in sozialen Medien viel geteilte Beitrag „How to look like a dane“ der tumblr-Nutzerin „copenhannah“ verrät keine Gründe, wird dabei aber besonders deutlich in der Handlungsanweisung: „Step 4: Go to your closet, put everything that is not black into a bag and burn it. If you truly want to look like a Dane, you can never wear color again. Ever.“[2] Bleibt abzuwarten, ob sich im Sommer die skandinavische Mode ändert und sich von der Wärme und Farbenvielfalt der aufblühenden Natur inspirieren lässt. Tendenzen zeigen sich in blogpost, wie dem vom Scandinavian Standard: „Scandi Six: Ways to Bring Your All-Black Wardrobe into Spring“.[3]
Die Zeiten, in denen jedoch komplett schwarz gekleidete Menschen als Trauernde identifiziert wurden oder sich Linke zum schwarzen Block formierten und so mit ihrer schwarzen Kleidung auch ein politisches Signal aussandten, scheinen vorerst vorbei zu sein. Diesen Widerspruch fasst auch der Blog farbenundleben.de auf: Die Person, die Schwarz trägt, vermittle das Gefühl, dass sie „unnahbar ist, obwohl sie das eigentlich gar nicht beabsichtigt hat, sondern das genaue Gegenteil damit erreichen wollte.“[4] Eine paradoxe Aussage, die jedoch unterstreicht, welche Entwicklung die Farbe Schwarz und die unbunten Farben zur Zeit nehmen. Sie erreichen ohne Zweifel nicht nur durch die internationale Mode eine Erweiterung ihrer Symbolität. Auch die dänische Mode treibt diesen Trend voran und ist dabei vielleicht sogar der Trendsetter, in dem es den Minimalismus seines Designs auch in die Mode überträgt. Unlängst wird schon vom skandinavischen Style gesprochen,[5] der sich auch bei unseren Chorsängerinnen zeigt: 30 sind unbunt gekleidet, drei mit einem weißen Oberteil, acht mit einem grauen Oberteil. Das am beliebteste Kleidungstück bleibt aber die schwarze Hose (hierbei wurden auch 4 schwarze Strumpfhosen mitgezählt), die, so der Standard, nun vielleicht ihren internationalen Siegeszug antritt.[6]
[1] http://www.zeit.de/2010/15/Lieblingsfarbe-Schwarz
[2] http://copenhannah.com
[3] http://www.scandinaviastandard.com/scandi-six-ways-to-bring-your-all-black-wardrobe-into-spring/
[4] http://www.farbenundleben.de/kleidung/aussage.htm
[5] http://derstandard.at/2000033795993/Neuer-Schwede-Weekday-eroeffnet-in-Wien
[6] http://derstandard.at/2000033795993/Neuer-Schwede-Weekday-eroeffnet-in-Wien