Sommer in Deutschland. Reisemonat. Die Deutschen lieben Reisen. Und die meisten schweifen dabei auch gerne in die Ferne und bleiben nicht im deutschsprachigen Raum. So auch ich. Mallorca war gestern, der neue Trend ist Schweden. Der deutsche Tourismus in Schweden ist auf Wachstumskurs. Dem schließe ich mich an und packe meinen Koffer mit meinen Mitbewohnern. Zwischen „Wir müssen noch einen Nachbarn wegen unseren Pflanzen fragen“ und „Habt ihr auch die Reiseapotheke eingepackt?“ fällt dabei auch folgende Aussage: „Ich brauch noch neue Unterwäsche für den Urlaub“.
Eine Aussage über die ich später, schon längst in Schweden angekommen und den ersten Elch gesichtet, in Gedanken stolpere. Hinter dieser gewöhnlichen Aussage steckt mehr, als auf den ersten Blick ersichtlich. Warum zum Beispiel ist der Urlaub ein Anlass sich „drunter“ neu einzudecken? Natürlich, wir wollen uns vor allem im Urlaub wohl und gut fühlen; und das von der ersten Hautschicht an. Aber gibt es neben dem persönlichen Wohlbefinden und erotischen Gründen vielleicht auch kulturelle Unterschiede im Umgang mit Unterwäsche gegen den sich meine Mitbewohner mit einem bewussten Umgang bzw. einem Neukauf vor der Abreise richten?
Auf meiner Reise durch Schweden und durch das virtuelle Netz stoße ich auf zwei Extreme zum Thema Unterwäsche im Urlaub. Ersteres ist gekennzeichnet durch das Motto: „Im Urlaub einen auf gepflegt machen und zu Hause ist dann das Feinripp angesagt“. Dem Gegenüber stehen meine Beobachtungen von deutschen Touristen in Skandinavien, welche mutig und ohne Hemmungen das Feinripp „drüber“ tragen. Ich beurteile das aus gutem Grund als mutig, denn jegliche Modeartikel bestätigen meine Beobachtungen: Skandinavier zählen zu den am besten gekleideten Männern. Und das sogar auf der Baustelle. Selbst in der unerträglichen Mittagshitze legen schwedische Bauarbeiter ihre orange Arbeiteruniform nicht ab. Interessant dabei ist der Gedanke, der mir bei dieser Beobachtung sofort in den Sinn kommt: Orange trägt nur die Müllabfuhr. In Deutschland signalisiert diese Farbe einen anderen Status. Aber das ist ein anderes Thema. Zurück zur schwedischen Baustelle, bzw. zu dem internationalem Freizeitzentrum, zudem die Baustelle gehört. Hier absolviere ich ein Praktikum und stoße eines Tages in der Wäscherei neben dem roten Staffshirt auf ein waschechtes Feinripphemdchen.
Wieder etwas Gewöhnliches, eigentlich. Doch auch diesmal denke ich an diese Momentaufnahme zurück, als ich an meinem freien Tag vom Balkon aus meine Kollegen beim Rasenmähen beobachte. Während mein Landgenosse sein rotes T-shirt im Laufe des Vormittags auszog und im Feinripphemdchen weiter arbeitete, zog der Schwede lediglich seine Ärmel bis zur Schulter hoch. Ob es sich um ein stärkeres Pflichtbewusstsein gegenüber der Arbeitskleidung oder um mehr Stilbewusstsein der Schweden handelt, lässt sich streiten. Beide Fälle zeigen aber offensichtlich den kulturellen Unterschied im Umgang mit Unterhemden in der Öffentlichkeit unserer nordischen Nachbarn.
Weil es mir an Geld und Zeit für eine Exkursion in die südlichen oder westlichen Nachbarländer fehlt, suche ich weiter im Internet nach kulturellen Differenzen im Umgang mit Unterhemden. Schnell werde ich nicht fündig, aber nach einigen Modehomepages und Blogs, stoße ich auf eine Interessante Meinung einer Französin zu diesem Thema. Sie glaubt, dass deutsche Männer gehäuft modisch unbedarft sind. Nach ihrem Wissen, sei es in keinem anderen Land der Welt üblich Abneigungen gegenüber Männerunterhemden zu haben. Für die Franzosen sei ein Unterhemd unter dem Hemd selbstverständlich und deutsche Männer, die ein T-shirt statt einem Unterhemd unter dem Hemd tragen, fände sie kurios. Ich frage mich, was genau eigentlich der Unterschied zwischen Unterhemd und T-Shirt ist und ob die Meinung der Französin nicht total überspitzt ist, weil es keinen Unterschied macht. Die Recherche zur Geschichte des T-Shirts bestätigt meine Kritik. Denn die Geschichte des T-Shirts ist theoretisch die des Unterhemds. Ursprünglich diente nämlich das T-Shirt lediglich als Unterhemd, weil es schön warm hielt. Im Ersten Weltkrieg zum Beispiel trugen die Soldaten in Europa ein Kleidungsstück mit einem einfachen Schnitt und wenigen Nähten, das einem T-Shirt ähnlich sah, während die amerikanischen Soldaten in ihren Wolluniformen schwitzten. Bis schließlich Amerikaner ein „training shirt” verlangten, wovon wohl das „T” im T-Shirt abstammt. Zunächst wurde diese Art von T-Shirt nur als Unterhemd angesehen, bis es sich schließlich zum gesellschaftlichen Oberbekleidungsstück im zivilen Alltag durchsetzte und heute ein angesehenes Kleidungsstück ist.
Soviel zum Exkurs: Unterschied zwischen Unterhemd und T-Shirt. Zurück zur Meinung der Französin. Anscheinend kann es der deutsche Mann, wie er es auch macht bzw. trägt, nicht richtig machen. Während er in Skandinavien bekleidet mit einem Feinripphemd aus der Reihe der zivil uniformierten Männermaße springt, scheint der Westen den deutschen Mann dazu aufzufordern, zu seinem Feinripphemd zu stehen.
Was sagt der ferne Osten dazu? Die Broschüre „Reisen mit Respekt“ vom respect – Zentrum für Tourismus und Entwicklung, gibt Tipps für verantwortungsbewussten Tourismus, vor allem im Nahen Osten: „Wir lieben Wärme und Sonne. Dies gibt aber niemandem das Recht, in Strandkleidern durch Städte und Heiligtümer zu bummeln“. In diesem Sinne wird geraten, sich den Umständen entsprechend angemessen anzuziehen, „Männer sollten nicht in Unterhemden herumlaufen“. Das leuchtet ein.
Und was bleibt nun für eine Erkenntnis am Ende meiner Reise durchs Netz und Schweden? Die Wahl der Unterwäsche ist immer eine Frage der persönlichen Bedürfnisse und des Geschmacks. Klar. Jedoch darf man diese zwei Entscheidungsfaktoren nie unabhängig von Kultur und Region betrachten. Denn Vorlieben und Umgang stehen immer in Verbindung mit verschiedenen kulturellen Zugehörigkeiten. So auch das unscheinbare Männerunterhemd.