In Lexika für Redewendungen[1] und im Internet finden sich unzählige Idiome[2] mit Farben. Grün vor Neid werden, das Blaue vom Himmel lügen, noch grün hinter den Ohren sein oder sich schwarz ärgern. Passend dazu werden Erklärungen angeboten, welche auf einem früheren kulturellen Habitus basieren oder sich auf gängige und anscheinend als bekannt vorausgesetzte Symbolik der Farben stützen.
Meine befragten Personen (17 Personen im Alter zwischen 19 und 63 Jahren) konnten spontan mehrere Redewendungen mit Farbnennungen aufzählen, doch alle verneinten die Verwendung dieser im Alltag. Der Duden Jugendsprache hat mir gezeigt, wie selten auch die kreative Jugend Farben in der Gegenwartssprache benutzen. Dabei bin ich auf den Ausdruck „geh bei grün“ gestossen. Ich liess ihn von mehreren Jugendlichen verifizieren und mir folgende Erklärung geben: sich entspannen. Und die „blaue Fliese“ ist ein Geldschein. Dies sei aber mehr ein Passiv-Wissen als ein aktiv verwendeter Ausdruck.
Im täglichen Sprachgebrauch werden Farben in Idiomen anscheinend kaum benutzt, obwohl manche bekannt wären. Deswegen stellte ich meinen Befragten die Hausaufgabe, zwei Wochen lang auf Farbnennungen im Alltag zu achten. Die Observation ergab, dass altehrwürdige Redewendungen bloss noch selten gebraucht werden. Einen grünen Daumen haben und blau sein sind die einzig aktiv benutzten, welche bereits lange genug existieren, als dass Erläuterungen dazu in Lexika zu Redewendungen oder ähnlichen Nachschlagewerken zu finden sind. Ach du grüne Neune! wurde ebenfalls benutzt. Aber nur von mir, da ich bei meinen Recherchen auf diesen Ausdruck gestossen bin und beschlossen habe, ihn zu resozialisieren. Die übrigen von den Befragten genannten Wendungen, welche auf Farben rekurrieren, sind im Verhältnis zu den bekannten und bereits genannten Redewendungen modern:
Halbgott in Weiss
braunes Gedankengut (http://www.wuv.de/agenturen/das_braune_muss_weg_draftfcb_kaempft_gegen_rechts)
Die Grünen (Partei)
graues Mäuschen
das kleine Schwarze
einen grünen Daumen haben
das Rotlicht-Viertel
die rosa Brille
kreidebleich
graue Zellen
goldig
Gold wert
schwarzer Humor
ein Schwarzer (Kaffee)
ein Schwarzer (Mensch) (http://derfantast.wordpress.com/2013/09/28/ich-werde-rennen-wie-ein-schwarzer)
ein Farbiger (Mensch)
ein kühles Blondes (Bier)
schwarz fahren
Dazu kamen fünf individuelle Eigenkreationen, die von einzelnen Personen verwendet werden und sich mit ein wenig Glück vielleicht durchsetzen und in 50 Jahren in Werken über Idiome Erwähnung finden:
Tante Rosa ist zu Besuch (die Menstruation) (https://www.eigengut.de/taschen/tampontaschen/tampontasche-tante-rosa-2)
grünes Gold (Marihuana)
grüne Hölle (Dschungel)
Ameisenfarbe (eine bestimmte Farbe von Kleidern)
jemand hat ein schwarzes Loch im Kopf(dumm)/Bauch(kann unglaublich viel essen).
Die modernen Wendungen sind kürzer und oft mit substantivierten Adjektiven ausgestattet. Auffallend ist ausserdem der kreative Aspekt oder der ironisch durchbrochene Unterton, der mitschwingt. Auch sind vermehrt Bezüge zu aktuellen Wissensbestände aus Naturwissenschaften zu finden, wie bei den grauen Zellen und dem schwarzen Loch. Die Thematiken der neuen Redewendungen deuten auch auf Wandlungen in verschiedenen Bereichen unserer Gesellschaft hin – neu kommen Alkohol und Drogen, Mode und politische Korrektheit, Wissenschaft und Politik vor.
Obwohl feststehende Idiome nach wie vor bekannt sind, lobt niemand mehr jemanden über den grünen Klee oder fährt ins Blaue. Aber man kann nun mit dem kleinen Schwarzen bekleidet über den roten Teppich wandeln und dabei ein kühles Blondes trinken.
[1] Duden-Definition: feste Verbindung von Wörtern, die zusammen eine bestimmte, meist bildliche Bedeutung haben; Wendung
[2] Duden-Definition: feste Verbindung, feste Wendung, [Rede]wendung, Wortgruppe; (Sprachwissenschaft) Fügung, idiomatische Wendung, Kollokation, Phraseologismus, Wortfügung, Wortgruppenlexem