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Fasching als ‚doing gender‘? – Die Hexe in der Fastnacht

Als kleines Mädchen drückte ich mich vor den Faschingsumzügen im südwestdeutschen Raum – aus Angst vor den bösen Hexen. Sie sind immer wild, raufen, wälzen sich auf dem Boden und treiben Schabernack, vor allem mit dem weiblichen Publikum.

Abb. 2 Hexenpyramide©Anne-J. Schneider

Abb. 1 Hexenpyramide©Anne-J. Schneider

Und überhaupt sehen sie einfach furchteinflößend aus: gebückter Gang, Zottelmähne, Runzeln und nicht zu vergessen die riesige, mit Warzen besetzte krumme Hexennase. Genau wie bei Hänsel und Gretel. Anders als im Märchen wollen diese Hexen ihre ‚Opfer‘ zum Glück nicht verspeisen und lassen sie nach kurzer Zeit wieder frei.

Die Hexe ist aber weitaus mehr als eine im kulturellen Gedächtnis verwurzelte und durch die Fasnacht ‚real‘ gewordene Märchenfigur: Sie ist komplexer Träger diverser Motive, Zeichen und Symbole. Die (Häs-)TrägerInnen ver-körpern wiederum dieses Bedeutungsgewebe, werden zu einem Hybrid in einer Art Drittem Raum.

 

Die Hexe – eine „Synthese vieler Motive“ 
Die Hexe in der Fasnacht, eine traditionsreiche Figur? Nicht wirklich. Die Vorstellung der Hexe per se gibt es schon sehr lange; ihre Gestalt und ihr Gemüt waren dabei stets im Wandel.[1]

Abb. 5 Märchenhexe aus Hänsel und Gretel. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1989

Abb. 2 Märchenhexe aus Hänsel und Gretel. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1989

In der Fastnacht tauchte die Hexe erst 1933 auf – nach dem Vorbild der Märchenhexe der Romantik, die Personifikation des Dämonisch-Bösen und Numinosen ist. Man verwandelte das Häs der „Alten Weiber“ (Vorgängerin der Hexe und lange feststehende Figur in der Fastnacht) in das einer wilden Hexe.[2] So wurde sie als feste Figur in der Narrenwelt etabliert, unter anderem um die Sehnsucht nach mehr „Tradition“ zu befriedigen.

Die Hexe und der Elektrakomplex?
Interessanterweise darf die Hexe ‚traditionell‘ nur von Männern verkörpert werden, obschon es heute durchaus auch gemischte Zünfte gibt. Das heißt aber, dass sich unter den Kostümen meist Männer verbergen. Nicht schlimm, denn für HästrägerInnen ist die Hexe indes ein „geschlechtsloses Wesen“. Dabei basiert die Hexe – allein der Artikel weist auf eine weibliche Figur hin – durchaus auf einer weiblichen Gestalt, ist aber mit phallischen Attributen und Symbolen bestückt: groteske, große Nase und Hexenbesen. Die Hexe mutiert also eher zu einer ‚Zwittergestalt‘. Das vorwiegend weibliche Äußere und ihr weiblicher Ursprung lassen in Verbindung mit männlichen Hästrägern eine gewisse Uneindeutigkeit entstehen, was das Unheimliche, das die Hexe umgibt, intensiviert.

Abb. 1 Hexen©Anne-J. Schneider

Abb. 3 Hexen©Anne-J. Schneider

Das Häs – Körperpraxis und Performanz
Das Besondere an der Fastnacht ist ja, dass man – mit Hilfe von (Ver-)Kleidung – in verschiedene Rollen und Identitäten schlüpft.[3] Das Hexenhäs (nach strengen Regeln von jeder Zunft eigens entworfen) ist nicht nur bloße Verkleidung, sondern auch Uniform, die die Rolle und (Geschlechts-)Identität der TrägerInnen camoufliert und verschleiert. Die Maske ist der wertvollste und auch wichtigste Teil der Kostümierung: Sie lässt die TrägerInnen vollständig hinter der Hexe verschwinden, ihre Körper werden zum Hexenkörper. Die Närrinnen und Narren erwecken die Hexe zum Leben, bewegen sich dementsprechend und werden gänzlich von ihrer Rolle absorbiert. Wenn die HästrägerInnen also ihr Häs überziehen, findet gleichzeitig eine Ent-Sexualisierung statt. Sie begeben sich im doppelten Sinne in ein Momentum der Liminalität: Sie schweben einerseits zwischen ihrem Selbst und der Hexe, andererseits zwischen dem eigenen – männlichen oder weiblichen? – Körper und dem zwitterhaften, übernatürlichen Körper der Hexe. Die Maske fungiert dabei als Umkehrung von Innen und Außen: Manche TrägerInnen fühlen sich mit ihrer Hexenrolle in der Tat eng verbunden: „Eigentlich, im ersten Leben, bin ich eine Hexe.“ Eine Zunft bietet eine enge Gemeinschaft, in der alle „Hexe“ und damit „alle gleich“ sind. Soziale Herkunft, Beruf oder Geschlechtsidentität sind aufgehoben. „Hexe“ ist eine Art neue ‚gesellschaftliche‘ Kategorie in einer wahren Parallelwelt mit ihren eigenen Regeln, Traditionen und Bräuchen.

Die Hexe ist aus der Fastnacht nicht mehr wegzudenken und dabei Schreckensfigur und pure Leidenschaft: Hexenmotiv (als Synthese vieler Motive und Diskurse), Häs (in der Kleidung materialisiertes Hexenbild) und HästrägerInnen (Körper als Hybride) fügen sich zu dem komplexen Bedeutungsgewebe „Hexe“ zusammen und lassen einen neuen, Dritten Raum entstehen.

 

[1] Zitat: Kraus 1989, S. 62. Diese Figuren sind in vielen Kulturen Gegenstand von sich wandelnden Erzählungen und haben einen Stellenwert im kollektiven Gedächtnis. Davon zeugt auch ihre hohe Präsenz in vielen Märchen und Legenden.

[2] Dieses Hexenbild, das wir heute kennen, entwickelte sich erst im Laufe der Zeit: Zum Beispiel ist in der handschriftlichen Fassung von Hänsel und Gretel nur von einer „alten Frau“ die Rede; einige Jahre später wurde daraus „eine böse Hexe“. (Kraus, S. 62f.)
[3] S. hierzu auch Blogeintrag „Fasching als ‚doing gender‘? – Kinderfasching“

Literatur:
Bronner, Kerstin: Grenzenlos normal? Aushandlungen von Gender aus handlungspraktischer und biografischer Perspektive. Bielefeld 2011.
Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt/Main 1991, S. 190-218.
Korff, Gottfried: Wilde Masken. In: Ders. (Hg.): Wilde Masken. Ein anderer Blick auf die Fasnacht. Begleitband zu einer Ausstellung im Haspelturm des Tübingen Schlosses 26. Januar bis 5. März 1989. Tübingen 1989, S. 11-25.
Kraus, Jörg: Der Weg der Hexe in die Fasnacht. In: Gottfried Korff (Hg.): Wilde Masken. Ein anderer Blick auf die Fasnacht. Begleitband zu einer Ausstellung im Haspelturm des Tübingen Schlosses 26. Januar bis 5. März 1989. Tübingen 1989, S. 57-76.
Lehnert, Getrud: Wenn Frauen Männerkleider tragen. Geschlecht und Maskerade in Literatur und Geschichte. München 1997.
Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt (Hg.): Brüder Grimm. Kinder- und Hausmärchen. 12. Auflage, Darmstadt 1989.

Fasching als ‚doing gender‘? – Kinderfasching

Cowboy oder Prinzessin? Drache oder Marienkäfer? Fasching, Fastnacht, Karneval[1] – aus dem Alltag ausbrechen, unserer Fantasie freien Lauf lassen? Das Verkleiden wird zur wichtigsten Körperpraxis und die (Ver-)Kleidung, ob gekauft oder selbstgemacht, zum wichtigsten Aktanten. Mit jedem Kostüm streifen wir uns eine bestimmte Identität und damit verknüpfte Bilder und Erwartungen über. „Als was gehst du dieses Jahr?“ Für Kinder (und auch für Erwachsene) ist die Frage nach der Verkleidung dann von geradezu existenzieller Bedeutung.

Kostüme als Bedeutungsgewebe
Bei der Wahl unserer Verkleidung(en) kommt es auf den eigenen Geschmack, Vorstellungen und Träume an, die aber auch mit unserem Habitus – unsere Vorprägungen und Lebensweise – zusammenhängen. (Ver-)Kleidung setzt unseren Körper auf eine bestimmte Art und Weise in Szene; gleichzeitig machen wir uns das Kleidungsstück zu Eigen, nehmen eine weitere Identität an – beispielsweise Prinzessin, Pirat oder Rotkäppchen. Diese wird als solche erkannt, weil (Ver-)Kleidung mit Zeichen, Symbolen und sogar Emotionen aufgeladen, codiert und so im kulturellen Gedächtnis abgespeichert ist. Im Allgemeinen ist Kleidung mehr als eine textile Hülle: Mit ihr sind das soziale Umfeld, gesellschaftliche Strukturen, Mode- und Körperdiskurse verwoben. Durch sie werden wir nicht nur bestimmten sozialen Gruppen zugeordnet, es wird auch eine bestimmte (Geschlechts-) Identität erzeugt.

Von glitzernden Prinzessinnen…
Auf einer Faschingsveranstaltung für Kinder in Tübingen und in einem Laden, der eine große Auswahl an Kostümen bot, fiel mir auf, dass wohl vor allem Märchengestalten, (Super-)Helden aus Film und Comic sowie Tiere zu den beliebtesten Verkleidungen zählen mussten.

Abb. 1 Marienkaefer, Fee, Rotkaeppchen©Anne-J. Schneider

Abb. 1 Marienkaefer, Fee, Rotkaeppchen©Anne-J. Schneider

Für Jungen und Mädchen gibt es (nach wie vor) bestimmte Kostüm-Klassiker: Mädchen gehen beispielsweise gerne als Prinzessin, Fee, Squaw, Katze oder Marienkäfer.

Abb. 2 Cowboy, Polizist, Drache©Anne-J. Schneider

Abb. 2 Cowboy, Polizist, Drache©Anne-J. Schneider

 

 

 

 

Viele Jungs verkleiden sich als Cowboy, Polizist, Indianer, Pirat oder Drache. (s. Abb. 2) Klar, dass auch aktuell beliebte Filme die Kostümwelt beeinflussen: Neben Star Wars-Charakteren sind auch die „Minions“ häufig vertreten – letztere sind an sich geschlechtslos – Mädchen und Jungen gehen als diese knuffigen, gelben Wesen.

Dabei sticht sofort ins Auge: Anhand klarer, gewohnter Zeichen können die Kostüme eindeutig dem jeweiligen Geschlecht zugeordnet werden. Vor allem die Mädchenkostüme, sogar die Tierkostüme, bestehen fast ausnahmslos aus einem Rock oder Kleid – ein wahres Meer aus Pink, Glitzer und Tüll (oder Blau im Falle von Elsa aus „Frozen“). Mehr noch: Sie imitieren durch Korsage, Taillierung und Rock einen weiblichen, erwachsenen Körper.

… und bärtigen Cowboys
Die Kostüme der Jungen sind ‚männlich‘ gestaltet (Hose und Hemd oder Shirt). Kleinen Cowboys oder Piraten wird mitunter ein Bart aufgemalt. Und Pink? Keine Spur!

Abb. 3 Indianer, Squaw©Anne-J. Schneider

Abb. 3 Indianer, Squaw©Anne-J. Schneider

Manche Kostümierungen gibt es aber als weibliche und männliche Version: Indianerinnen (Squaws) und Piratinnen tragen Kleider oder Röcke anstelle von Hosen oder Overalls. (s. Abb. 3) Und damit man sich ja nicht ‚ver-kauft‘: Auf den Etiketten der Kostüme ist jeweils ein Mädchen oder Junge in diesem Kostüm abgebildet. Ist das freie Kostümwahl?

Abb. 4 SchlafwandlerIn©Anne-J. Schneider

Abb. 4 SchlafwandlerIn©Anne-J. Schneider

 

Im Laden gab es sogar ein als neutral gelabeltes Kostüm: Jungen und Mädchen dürfen SchlafwandlerIn sein. (s. Abb. 4). Die Kostüme machen aus Kindern Erwachsene, verstärken oder antizipieren sogar eine gewisse Rollenerwartung. Vor allem bei den Mädchenkostümen findet eine „gezielte Sexualisierung“ der Kleidung statt. (Mentges, S. 21) Auch Accessoires sind ‚eindeutig‘ gegendert: Welcher Cowboy würde zu einer rosafarbenen Knarre greifen?

Prinzessin in der Hose?
Fasching ist insofern als ‚doing gender‘ lesbar, als sich in den gängigsten (Kinder-)Kostümen der binäre Geschlechterdiskurs unserer Gesellschaft manifestiert, materialisiert und performativ bestätigt wird. Märchenprinzessinnen oder Feen tragen keine Hosen, weil wir es so gelernt haben (Ausnahme: Prinzessin aus Tausendundeine Nacht in Pluderhose); weil die Bilder solcher Gestalten aus einer Zeit stammen, in der Frauen keine Hosen trugen? Vielleicht sollte Klein-Lisa nächstes Jahr als Prinzessin mit Hose gehen. Ich wäre auf die Reaktionen gespannt.

[1] Die Bezeichnung ist abhängig von der Region. Für diesen Beitrag wähle ich den Begriff „Fasching“, da ich mich zwar im Raum der schwäbisch-alemannischen Fastnacht bewege, mich aber nicht auf die traditionelle Fastnacht/Fasnet beziehe. (s. Blogeintrag „Fasching als ‚doing gender‘? – Die Hexe in der Fasnacht“ für die südwestdeutsche Fasnacht als Bezugsrahmen.)

 

Literatur:
Bourdieu, Pierre: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt/Main 1982.
Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt/Main 1991, S. 190-218.
Latour, Bruno: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie. Frankfurt/Main 2007, S. 76-127.
Lehnert, Getrud: Wenn Frauen Männerkleider tragen. Geschlecht und Maskerade in Literatur und Geschichte. München 1997.
Lunin, Vincent: Kleid und Verkleidung. Untersuchungen zum Verkleidungsmotiv unter besonderer Berücksichtigung der altfranzösischen Literatur. Bern 1954.
Mentges, Gabriele: Uniform – Kostüm – Maskerade. Einführende Überlegungen. In: Gabriele Mentges/Dagmar Neuland-Kitzerow/Birgit Richard (Hg.): Uniformierungen in Bewegung. Vestimentäre Praktiken zwischen Vereinheitlichung, Kostümierung und Maskerade. Münster u.a. 2007, S. 13-28.

Haptik statt Optik

Haptik statt Optik

Die Formen der Taktilität von Living History in Ausstellungen und Freilichtmuseen gehen über die Darstellung historischer Lebenswelten und das Ausprobieren von Gebrauchsgegenständen hinaus. Eine besondere Rolle nimmt die Kleidung in der Geschichtsvermittlung ein. Zwar sind uns haptische Erlebnisse des alltäglichen Umgangs mit Kleidung vertraut, jedoch erweisen sie sich als sprachlich schwierig explizierbar. So zeigt sich durch taktile Wahrnehmung am eigenen Körper, wie Kleidung durch Bewegungen verlebendigt wird. Die Besucher der Ausstellungen versetzen sich in eine historische Lebenswelt. Um die Vergangenheit zu interpretieren, wird beispielsweise im Schlossmuseum Ludwigsburg bei einigen Führungen der Fokus auf die Haptik der Kostüme gelegt.

Kostümierte Kinder während einer Führung zum Thema Barock im Schloss Ludwigsburg. Quelle: www.schloss-ludwigsburg.de/besucherinformation/fuehrungen-veranstaltungen/abenteuer-schloss/

Bild 1: Kinder während einer Führung zum Thema Barock im Schloss Ludwigsburg. Quelle: www.schloss-ludwigsburg.de/besucherinformation/fuehrungen-veranstaltungen/abenteuer-schloss/

Die Haptik der Kostüme

Dabei haben beispielsweise Kinder die Möglichkeit, sich während einer Führung im Schloss Ludwigsburg zum Thema Barock zu verkleiden. Es wird so versucht dem jungen Publikum, mithilfe der taktilen Wahrnehmung, das gehobene höfische Leben nahezubringen. Durch die Interaktion mit kostümierten Besuchern werden die passiven Empfänger vorgefilteter Informationen, wie etwa durch Texttafeln, in aktive Gestalter des Vermittlungsprozesses verwandelt. Weiter verstärkt wird die Wirkung von Living History, indem sie neben intellektuellen Stimuli auch immer Reize für die Sinne bereithält und diese ganz leicht mit Emotionen verbinden kann: Hierbei spielt die Haptik der Kostüme eine bereichernde Rolle. Die Konstruktion der Wirklichkeit geschieht in der Einheit von Körper, Geist und Gefühl. Die Besucher spüren die Beschaffenheit des Materials. So tauchen die Teilnehmer detaillierter in eine andere Lebenswelt, können beispielsweise die Steifheit der Materialien historischer Kleidungsstile, welche unter Umständen die Bewegung des eigenen Körpers einzuschränken vermögen, erfahren. Die Besucher gestalten ihren Körper und sind gleichzeitig ihre eigenen Zuschauer: anziehen, tragen, taktil erfahren. Durch das Zusammenspiel von Emotion, Kognition und Körperlichkeit entsteht eine einzigartige Erlebniswelt. Es entsteht eine holistische Lernerfahrung durch das Tragen der Kleidung. ‚Costumed interpreters‘, also kostümierte Teilnehmer, sind so befähigt zur kritischen Reflexion und Dekonstruktion von Geschichtsbildern. [Sturm, Andreas: Quo vadis Living History? Auf der Suche nach dem richtigen Umgang mit Geschichte als Erlebniswelt. In: Vermittlung von Vergangenheit. Gelebte Geschichte als Dialog von Wissenschaft, Darstellung und Rezeption, Weinstadt 2011, S. 41-54, hier S. 42] Insofern soll Living History auch Ausschnitte vergangener Lebenswelten am eigenen Leib und ohne den Zwang der Nützlichkeit begreifbar machen. Die Kleidung wird verlebendigt, in Bewegung gebracht und ins Performative und Theatralische übersetzt. Beispielsweise können die Besucher im dänischen Freilichtmuseum Lyngby in einen vorindustriellen Alltag eintauchen.

Bild 2: Screenshot aus dem Film über Living History im dänischen Frelichtmuseum in Lyngby Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=1l8POyTlxMo

Bild 2: Screenshot aus dem Film über Living History im dänischen Freilichtmuseum in Lyngby.
Quelle: www.youtube.com/watch?v=1l8POyTlxMo

Die Dreidimensionalität der Kleidung erfühlen

hier spielt es keine Rolle, dass die Kleidung nur eine Nachbildung einer „Tracht“ oder einer Arbeitsbekleidung aus dem Zeitalter der Vorindustrialisierung ist. In den meisten Fällen werden keine Originalkostüme verwendet, da es aus konservatorischen Gründen nicht möglich ist. Haptik statt Optik gilt für die Kleidungsstücke, um die ‚Dreidimensionalität und die Beweglichkeit des Materials zu verstehen‘. [Weise, Katja: Try me on – Zur Inszenierung modischer Körper in Ausstellungen. In: Gertrud Lehnert (Hg.): Räume der Mode, München 2012, S.183-199, hier S. 184.] Die bekleideten Körper lassen die Dingbedeutsamkeit und spezifische Materialität auf der Haut selbst wahrnehmbar werden.

Die Kleidungsstücke in Bewegung bringen

Zwar können Kleidungsstücke auch an unbeweglichen Kleiderständern gezeigt werden. Allerdings sind beispielsweise Schneiderpuppen leblose Figuren, an denen sich keine Bewegung zeigen lässt. Dem Leinenstoff wird erst durch den Träger Leben eingehaucht. Je nach Besucher sitzt das Kleidungsstück anders. Die Kleider ‚selbst sind nur leere Hüllen‘. [Weise 2012, S.191.] Die Berührung mit den Kleidungsstücken wird eine andere Verbindung hergestellt: Die Zartheit des Stoffes oder der Stoff als solcher, welcher sich durch Bewegung in Falten legt, sowie durch einen Luftzug eine Veränderung auf der Haut des Trägers hervorruft. Schnürungen und Verzierungen zum Beispiel verändern die Körpersprache der Träger_in. Die Wahrnehmung des Stoffes  und des Schnittes auf der Haut und am Körper lässt sich durch das Tragen verdeutlichen und erleben und macht ein Eintauchen in die Geschichte mit verschiedenen Sinnen möglich. Es entsteht ein individuelles Erleben von Geschichte durch Taktilität und Haptik.

 

Literaturverzeichnis:

  • Sturm, Andreas: Quo vadis Living History? Auf der Suche nach dem richtigen Umgang mit Geschichte als Erlebniswelt. In: Vermittlung von Vergangenheit. Gelebte Geschichte als Dialog von Wissenschaft, Darstellung und Rezeption, Weinstadt 2011, S. 41-54.
  • Weise, Katja: Try me on – Zur Inszenierung modischer Körper in Ausstellungen. In:  Gertrud Lehnert (Hg.): Räume der Mode, München 2012, S.183-199.

Elektronische Bilderquellen: