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Das schönste Konsumobjekt: Der Körper

Screenshot des Artikel über Paul Smith Fashion Show auf Elle.de

Bei der Fashionshow geht es viel mehr als nur um Kleidungsstücke: Schlanke Körper, die einen Lebensstil präsentieren. Screenshot des Artikels über Paul Smith Fashion Show in London 2015 auf Elle.de

Im Sortiment des Konsums gibt es ein Objekt, dass schöner und wichtiger erscheint, als jedes andere Objekt jemals zuvor: Der Körper! Geht man auf Elle.de werden den Lesern und Leserinnen Kleidungsstücke, Kosmetikprodukte sowie Hilfestellungen und Anleitungen angeboten, welche den Konsument_Innen zu einem besseren Lebensstil verhelfen sollen. Einige Klicks weiter landet man auf Artikeln, die einem den Umgang mit dem eigenen Körper erläutern: Zum einen, wie er athletischer und gesünder wird. Zum anderen klären einige Artikel über angebliche Fehler und Irrtümer rund ums Thema Körper auf. Als Konsument_In wird man das Gefühl nicht los, als sei man im Alltag falsch mit seinem Körper umgegangen. Die Auffassung, dass ein Körper mehr als nur ein reines Begierdeobjekt sei, wurde erweitert durch die Annahme, dass der Körper nun als funktionalistisches Objekt gesehen wird, an dem gearbeitet werden muss, um ihn zu verbessern. Weiterlesen

Zur Inaktualität der Mode

Aktuelle Mode im Visier der (post-)strukturalistischen Zeichentheorie

Die aktuelle Mode präsentiert sich als etwas Neues und Einzigartiges. Ein Modeartikel scheint nur dann relevant zu sein, wenn er sich von der Mode aus den Vorjahren abhebt. Warum man dennoch das Gefühl nicht loswird, weshalb einem die Schnitte, Muster oder Farbkombinationen der aktuellen Mode so bekannt vorkommen, der findet im Poststrukturalismus eine Antwort darauf. Für (Post-)Strukturalisten sind Kleidungsstücke Teil eines Zeichensystems.  In diesem System sind Bilder[1] als Codes deutbar. Diese Codes sind unverzichtbare Grundlagen des sozialen Lebens. Sie schaffen Eindeutigkeit und tilgen Unbestimmtheiten im Alltag. Die Codes stiften Ordnung in der Gesellschaft. Besonders in den sozialen Medien, auf Instagram oder Facebook, verwandeln sich die Modeartikel in Zeichen und Bilder. Diese Bilderflut wird von dem französischem Soziologen Jean Baudrillard als eine fiktionale Überspitzung beschrieben.  Für Baudrillard ist es in diesem Zustand der Verbildlichung und der andauernden Bilderflut für den Betrachter zunehmend schwieriger zwischen Bild und Wirklichkeit zu unterscheiden. Baudrillard beschreibt diesen Dauerzustand der Verbildlichung als eine Simulation der Gegenwart: „Die Mode ist eine bloße Simulation der Unschuld des Werdens. Die Mode ist eine bloße Wiederverwertung (recyclage) des Zyklus‘ der Erscheinungen.[2]

 

Simulakren: Ordnungen für den hyperrealen Alltag

Seine Theorie der Simulation beschreibt Baudrillard in drei Phasen, auch drei Zeitalter genannt, welche das Zeichen durchlaufen muss. Diese vorangeschrittenen Zeitalter des Zeichens nennt er die drei Ordnungen des Simulakrums. Baudrillard definiert Simulakren wie folgt: „Simulakren sind wirklichkeitsmächtige Kulturmuster, mit denen die soziale Welt semantisch beschrieben und vorgestellt wird […]. Ein Simulakrum ist ein abstraktes System von Zeichen, das in einer spezifischen Beziehung zur materiellen Welt steht und ein Konstruktionsmodell von Wirklichkeit bildet, aus dessen Sinnfundus Welt symbolisch erzeugt und gedeutet, abgestützt und reproduziert wird.[3]

Modemuseum in Ludwigsburg

Bild 1: Privataufnahme im Modemuseum in Ludwigsburg

Die erste Ordnung der sinnstiftendend Simulakren nennt er die Imitation und datiert sie auf das Zeitalter der Renaissance und des Barocks, also auf den Beginn der europäischen Neuzeit. Mit der Imitation datiert  er zugleich den Wendepunkt zwischen vormodernen und modernen Zeichen bzw. zwischen zweiter und dritter Stufe des Bildes. Die zweite Ordnung, die Produktion, legt er auf das 19. Jahrhundert sowie die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die dritte Ordnung betitelt  er als Simulation und ist für ihn bestimmend für die Nachkriegszeit und Gegenwart.

Unser Zeitalter der Simulation wird überall eröffnet durch die Austauschbarkeit von ehemals sich widersprechenden Begriffen. Für die Simulakren in der Mode bedeutet dies, dass das Schöne und das Hässliche oder das Neue und das Alte austauschbar sind. Die Zeichen haben sich für Baudrillard von ihrem Bezeichneten gelöst und sind referenzlos geworden. Die Zeichencodes der Mode und der Medien gäben nur noch vor, soziale Codes zu sein, welche die Ordnung in den Alltag beibehalten. In Wahrheit dagegen haben sie nur die Absicht, das Gesamtsystem der Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Die Zeichen simulieren eine künstliche Realität. Eine Hyperrealität entsteht, welche weitaus realer die Realität abbildet, als der eigentliche Alltag sie jemals abzubilden vermag.

Screenshot des Artikels "Neuer Trend Hochwasser-Schaghose".

Bild 2: Screenshot des Artikels „Neuer Trend Hochwasser-Schaghose“ auf Elle.de

(In-)aktuelle Mode

Für Baudrillard steht fest: „Die Mode ist […] inaktuell. Die Mode setzt immer eine tote, abgestorbene Zeit von Formen voraus, also ein [sic!] Art von Abstraktion, durch die  die Formen […] zu effektiven Zeichen werden, die – gewissermaßen durch eine Verkehrung der Zeit – zurückkehren können und die Gegenwart mit ihrer Inaktualität besetzen, das heißt  mit dem ganzen Charme der Wiederholung von Vergangenem, die der Entwicklung von Struktur entgegengesetzt ist. […]Die Mode bezieht ihre Frivolität aus dem Tod und ihre Modernität aus dem déja-vu.[4] Mode war und ist inaktuell. Sie besticht durch eine Ästhetik der Wiederholung in unserem gegenwärtigen und zukünftigen Alltag.

 

Fußnoten:

[1] Im Beitrag werden Zeichen und Bild als Synonyme verwendet.

[2] Jean Baudrillard: Der symbolischer Tod und Tausch. München 1982, hier S.135.

[3] Ebd., S. 79.

[4] Ebd., S. 134.

 

Literaturnachweis:

Baudrillard, Jean: Der symblische Tod und Tausch. München 1982.

Bildnachweis Bild 2:

http://www.elle.de/cropped-flare-so-cool-sind-die-neuen-hochwasserjeans-258031.html [Letzter Zugriff: 01.04.2016]