Allet Jute aus Berlin! (Polemische Gedanken zur Modehauptstadt)

Besonders in der Berliner Modeszene sind Naturmaterialien wie Hanf, Jute und Sisal häufig zu finden. Ob als Umhängetasche, Kleidungstück oder als ein Paar Sneakers.
Die weiche, glatte Lederjacke, der kuschelige Wollpullover und die schicken Wildlederstiefel sind in dieser Stadt eher ein Tabuthema. Es gibt mittlerweile doch schon so viele „grüne“ Alternativen. Natur ist also gut, aber nur pflanzlich!

Doch was bewegt so viele Menschen dazu, zu unbequemen Materialien zu greifen? Will niemand zugeben, dass es oft juckt und kratzt und die Farben nicht immer strahlend leuchten, weil man sonst nicht umweltbewusst und hip ist? Oder sind wirklich alle auf Fairness und Nachhaltigkeit bedacht und Berlin ist tatsächlich die Vorreiterin der „organic-fashion“?

Bild: Dawanda, Shop DIE JUTEN

Es scheint, als sei der Jutebeutel ein unverzichtbares Fashion- Element für den jungen Berliner geworden, denn er hängt von jeder zweiten Schulter. Dazu der passende Schuh aus Hanf und bei dem Outfit wird darauf geachtet das es zumindest „fair“ ist.

 

Turnschuhe aus Hanf „adidas HEMP“ siehe: https://www.pinterest.de/Organic4nature/hemp/

Ich frage mich, ob Öko-sein heute wichtiger ist als ein schönes, angenehmes Hautgefühl. Letztendlich ist es natürlich jedem Menschen selbst überlasen, wie und in was er sich kleidet.
Wenn ich aber sehe, dass Kinder ausschließlich in Bio-Strampelanzüge und Öko-Höschen gesteckt werden und stets darauf geachtet wird, dass es zu keiner Berührung mit „der schlechten Kleidung“ kommt, frage ich mich, warum Eltern ihren Kindern die Möglichkeit stehlen, selbst zu entscheiden und verschiedene Stoffe anzufühlen und kennenzulernen.
  Die Einstellung der Eltern nimmt den Kindern die Erfahrungen und beeinflusst ihre haptische Wahrnehmung. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und so wie sich damals die armen Leute im Mittelalter an das „härene Gewand“ gewöhnt hatten, tut es heute auch das Baby in Jute. Irgendwann ist alles bequem und normal, wenn man nichts Anderes kennt.

Schallplattencover des Labels Litera

Zudem erinnert mich das alles an das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“:
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er schwindelnde Schneider behauptet, nur kluge Menschen sehen den Stoff, also lügen alle, als sie den Kaiser zu Gesicht bekommen, um nicht als dumm dazustehen. Viele junge Designer arbeiten heute teilweise ausschließlich mit veganen Naturstoffen – sind sie die neuen kaiserlichen Schneider und verkaufen die fashion victims für dumm und lassen sie nackt sein? Oder ist das die „richtige und gute“ Zukunft der Mode?

Immerhin sollte für jeden von uns das Thema Fairness und Nachhaltigkeit von großer Bedeutung sein. Wann ist es „nur“ eine Gewissensfrage und wann geht es zu weit?