Militär und Seidenschleifchen

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„Camouflage trifft auf Satinschleife, und Seide glänzt in Khaki: Military-Details brauchen jetzt weibliche Besänftigung“, untertitelt das Modemagazin Glamour in ihrer Januar-Ausgabe 2016 die Modestrecke Army Shop[1]. Präsentiert werden neben Hemden mit aufgesetzten großen Taschen, Uniformjacken und –mänteln, Parkas, Westen und Trenchcoats auch Miniröcke, Blusen mit Schleifen und Pailletten sowie Metallic-Kleider mit Plissee-Falten in erdigen Farben, wie Schlamm, Khaki, Oliv und Camouflage-Musterung. Lack-Stilettos, Lederbooties, Pilotenbrillen, Nagellack und Beutel- oder Ledertasche runden den Look ab.

Der aktuelle Military-Look ist ein Zeichen dafür, wie Körper durch bestimmte Schnitte, Stoffe, Muster und Kombinationen geschlechtlich inszeniert werden, welche durch gesellschaftliche Veränderungen bedingte Codierung ihnen zugeschrieben wird und wie sich diese auf Körper überträgt oder durch sie verändert wird. Der Trenchcoat, wie er nun auch in den aktuellen Modestrecken in diversen Modezeitschriften, wie Glamour oder Elle[2] zu finden ist, ist ein anschauliches Beispiel dafür, welcher Prozesshaftigkeit Kleidung und welchen Bedeutungszuschreibungen sie zeit- und raumabhängig aber auch -übergreifend in einer Gesellschaft unterliegt. Als Militärkleidungsstück entworfen, sollte der Mantel die (britischen) Soldaten im Krieg vor Regen, Schlamm und durch seine Tarnfarbe vor den Augen der Feinde schützen. Im I. Weltkrieg war er allerdings nur Offizieren vorenthalten, wovon heute noch die Schulterklappen (einst für Rangabzeichen) zeugen. Elemente, wie die D-förmigen Gürtelschnallen für die Munition oder der abgesetzte Stoff an der oberen Rückenpartie, lassen sich heutzutage immer noch an modischen Trenchcoat-Modellen wiederfinden.[3] Als Militärkleidungsstück für Offiziere strahlt es Macht, Autorität, Stärke und Männlichkeit aus. Bereits in den 1920er Jahren fand der khaki-farbene Trenchcoat Einzug in die zivile Mode-in die Damenmode.[4] Die weibliche Emanzipation, welche frau mit dem Trenchcoat ausdrücken wollte, bewegte sich zuerst stark im Rahmen patriarchaler Grenzen. Eigenschaften wie Stärke, Selbstbewusstsein, Selbstständigkeit und Macht wurden aus einem männlich konnotierten Zuschreibungsbereich (des Mantels) in einen weiblichen hinein reproduziert. Nach dem II. Weltkrieg und unter Mithilfe der (filmischen) Inszenierung (z.B. Audrey Hepburn in Breakfast at Tiffany’s[5]) von berühmten weiblichen Personen der Öffentlichkeit wurde der Trenchcoat dem weiblichen Körper mehr und mehr angepasst und nicht mehr nur als eine mit männlichen stereotypen Zuschreibungen aufgeladene Hülle für einen weiblichen Körper genutzt.

Der Trenchcoat bewegt sich zwischen modischer Auffälligkeit (durch die Kombination mit anderen Materialien, durch Schnitte etc.) und pragmatischer Unauffälligkeit (wetterfester Gabardine-Stoff des Burberry-Mantels, schlichte Farbe und Schnitte). Von Militär zu Zivil entsteht ein Kleidungsstück, an welches ein ästhetischer aber auch funktioneller Anspruch durch DesignerInnen und KonsumentInnen gestellt wird. Inwieweit Military-Kleidung heute noch männlich dominiert gesehen/inszeniert wird, zeigt die oben bereits angesprochene Modestrecke der Glamour. Die Kleidungsstücke müssen beispielsweise durch weiblich konnotierte Stoffe, Farben und Muster erst besänftigt werden (siehe auch Zitat zu Beginn). Die raue strenge Militärkleidung muss durch blumige Elemente, Rüschen, Schleifen und leichte Chiffon- und Seidenstoffe vergesellschaftet werden. Hier werden nicht nur stereotype Geschlechterpositionen reproduziert, sondern es wird auch versucht, einen ehemals männlich konnotierten und außeralltäglichen Look durch weibliche Körper gesellschaftsfähig zu machen. Allerdings scheint dies nur zu funktionieren, wenn man typisch weiblich konnotierte Elemente in den Military-Look integriert. Es wirkt, als müsse das Weiblich-Sanfte das strenge, mächtige Männliche erst einer weiblichen Transformation unterziehen, um ihm habhaft werden zu können.

Die oben genannten Beispiele zeigen, wie die Bedeutungszuschreibung eines Kleidungsstückes nicht nur auf den Träger übertragen werden kann, sondern wie Kleidung durch die Interaktion mit Körpern im Raum auch neue Bedeutungen zugeschrieben werden können. So kann ein Military-Kleidungsstück durch modische Transformation auf der Straße als ästhetischer Eye-Catcher funktionieren und so seinen ursprünglichen Anspruch auf bloße Funktionalität und Unscheinbarkeit verlieren.[6] Allerdings nimmt sich die Mode meist auch jene Militär-Kleidung zum Vorbild, die eher bei repräsentativen Anlässen getragen wurde[7], sodass wiederum der Anspruch des Sich-Inszenierens durch das Kleidungsstück auch auf den Körper des Trägers/der Trägerin übertragen wird. Trotzdem kann es aber eben auch, je nach Material, Schnitt und Musterung, dem/der Träger/in bis zu einem gewissen Grad Funktionalität und ein schlichtes Auftreten garantieren. Inwieweit der aktuelle Military-Look die momentane gesellschaftliche und politische Situation aufgreift, lässt sich diskutieren. Vielleicht soll der Look aktuelle politische Geschehnisse gesellschaftlich greifbar machen bzw. zur Reflexion anregen. Vielleicht kommt und geht er aber auch ohne explizites politisches Statement. Jedoch spiegelt er die zahlreichen historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Faktoren wider, welche die Bedeutungszuschreibungen für die Wechselwirkung von Kleidung und Körper bilden.

[1] Vgl.: Pierre Bailly: Army Shop. Camouflage trifft auf Satinschleife und Seide glänzt in Khaki: Military-Details brauchen jetzt weibliche Besänftigung. In: Glamour Januar 2016, hg. von Moritz von Laffert, München 2016, S. 71-85.

[2] Vgl.: Joshua Jordan: Cool Khaki. In: Elle März 2016, hg. von Patricia Riekel, München 2016, S. 192-199.

[3] Vgl.: Josh Sims: Frauen mit Stil, Zürich 2015, S. 13 ff..

[4] Vgl.: Ebd. S. 13.

[5] Vgl.: Edwards, Blake: Breakfast at Tiffany’s, USA: A Jurow Sheperd Production 1961.

[6] Vgl.: Ingrid Loschek: Wann ist Mode? Strukturen, Strategien, Innovationen, Berlin 2007, S. 146.

[7] Vgl.: Anke Schipp, 2005, S. 65.

Literatur:

  • Bailly, Pierre: Army Shop. Camouflage trifft auf Satinschleife, und Seide glänzt in Khaki: Military-Details brauchen jetzt weibliche Besänftigung. In: Glamour Januar 2016, hg. von Moritz von Laffert, München 2016, S. 71-85.
  • Haeming, Anne: Alles perlt ab. In: Zeit online, 28.09.2010, URL: http://www.zeit.de/lebensart/mode/2010-09/trenchcoat (Zugriff: 26.03.2016).
  • Jordan, Joshua: Cool Khaki. In: Elle März 2016, hg. von Patricia Riekel, München 2016, S. 192-199.
  • Loschek, Ingrid: Wann ist Mode? Strukturen, Strategien, Innovationen, Berlin 2007.
  • Sims, Josh: Frauen mit Stil, Zürich 2015.
  • Schipp, Anke: Mode auf Kommando. Vom Bundeswehrparka zum Zarenmantel: Der Modeherbst ist dunkel, streng und manchmal sogar romantisch – eine Uniform – mit Litzen, Epauletten und Orden besetzt – gehört dazu. In: FAZ, 23.10.2005, S. 65.