Haptik in der Musikproduktion

Drum_PlugIn

Was wäre die Musikproduktion ohne Hände? Es würde sie schlichtweg nicht geben. Denn auch die Bedienung von digitalen Klangerzeugern und Software ist auf eine manuelle Bedienung, zumindest mit der Computermaus, angewiesen. Doch nicht nur eine simple praxeologische Ausführung ist auf die Hände gestützt. Die Haptik nimmt eine wichtige Rolle in der Musikproduktion ein. Im 21. Jahrhundert steht die Musikproduktion vollkommen im Zeichen des digitalen Zeitalters. Selbst wenn Musik mit echten Instrumenten (und sogar vereinzelt noch mit analogen Bandmaschinen) in Studios eingespielt wird, wird das aufgenommene Material in Sequenzern von Computerprogrammen weiterbearbeitet.

Einen enormen Sprung machte die Musikproduktion durch die MIDI-Notation (MIDI = Musical Instrument Digital Interface). Hierbei dienen Geräte wie Synthesizer oder Sampler als Schnittstelle und können Daten in Form von Notenbefehlen empfangen und senden.1 So ist es möglich über ein MIDI-Keyboard sämtliche Signale einer anderen Quelle zu steuern und zwischen den Instrumenten zu wechseln. Auch bei Software zählt die MIDI-Technologie zum Standardrepertoire und wird hauptsächlich in Verbindung mit MIDI-Keyboards, aber auch anderen Controllern genutzt. Dabei handelt es sich meist um Drumcomputer / Grooveboxen. Diese verfügen in der Regel über 16 anschlagdynamische Pads, denen man per MIDI bestimmte Sounds/Samples zuweisen kann.

Instrument für Echtzeitproduktionen

Das bekannteste Beispiel ist hier die MPC-Serie vom Hersteller AKAI, welche auch gerne bei Liveaufführungen genutzt wird. So finden sich im Internet zahlreiche Videos von Produzenten, hauptsächlich im HipHop-Bereich (u.a. Araab Muzik, Exile), wie sie auf ihren Grooveboxen ihre Beats in Echtzeit durch Drücken der Pads nachspielen oder neue entstehen lassen. Somit wird der Produktionsprozess auf ein Performance-Level gehievt. Die herausragende Leistung des Produzenten besteht darin, sowohl die Schlagzeugsounds, als auch die Melodie gleichzeitig abzuspielen. Desweiteren dienen Sampler und Grooveboxen DJs zu einem stimmungsverstärkenden Effekt, um während ihren Sets Sounds abzufeuern, die anheizend oder ergänzend wirken sollen. Aus der ursprünglichen Verwendung zu Produktionszwecken hat sich die Groovebox zum Instrument entwickelt, mit dem sich künstlerische Darbietungen vollziehen lassen. Bezüglich der Handhabbarkeit schwören Produzenten auf Controller wie Pads oder Klaviaturen. Das Gespielte kann so gleichzeitig gespürt werden. Es kommt zu einer Verbindung zwischen Tast- und Hörsinn.

Haptische Entsinnlichung durch virtuelle Produktionsumgebung

Die Rückkehr zur Hardware hat viel zu tun mit der Weiterentwicklung von Software und der Virtualisierung der Produktionsumgebung.2 In sogenannten PlugIns werden Instrumente und Geräte simuliert. Klanglich als auch optisch mit angepassten Bedienoberflächen. Neben Synthesizern und Drumcomputern handelt es sich hier auch um Effekt-PlugIns wie graphische Equalizer. Hier kommt es zu einer Vermischung von Hör- und Sehsinn. Das Veranschaulichte folgt dabei nicht immer einer auditiven Logik. Zudem erfordert eine virtuelle Produktionsumgebung mehr Zeit. Der Wunsch an einem analogen Regler zu drehen, einen Schlagzeugsound durch Drücken auf ein Pad aufzunehmen oder eine Melodie auf einem MIDI-Keyboard einzuspielen ist nach wie vor groß, da der Produzent davon ausgeht die Veränderungen am Material durch die Haptik besser hörbar zu machen. Dass dem auch wirklich so ist, ist technisch umstritten. In jedem Fall wird dem Produzenten durch Haptik eine erleichternde Arbeitsweise ermöglicht.

Die Virtualisierung der Produktionsumgebung hat zunächst zu einer haptischen Entsinnlichung in der Musikproduktion geführt. Steuerwerkzeuge wie MIDI-Keyboards und Grooveboxen tragen nun aber dazu bei, der haptischen Entsinnlichung entgegenzuwirken und treten nebenbei aus dem Studioschatten ins Bühnenlicht.

 

 

1Maempel, Hans Joachim: Technologie und Transformation. Aspekte des Umgangs mit Musikproduktions- und -übertragungstechnik. In: Helga de la Motte-Haber: Musiksoziologie. Band 4. Laaber 2007, S. 160-180, hier S. 162.

2Ebd. S. 173.