Unterwäschewerbung heute – Eine abwertende Reduzierung auf den Körper oder eine ästhetische Darstellung?

Ob an der Bushaltestelle, in Zeitschriften, im Fernsehen oder im Internet – überall begegnen uns Unterwäschewerbungen, in denen Models mit Traumkörpern die neuesten Stücke präsentieren. In Anlehnung an unseren Blogbeitrag über Unterwäschewerbung im Wandel der Zeit, wollte ich mich näher mit der Unterwäschewerbung von heute beschäftigten. Dabei interessierte mich besonders die Frage, wie die Werbung auf die Betrachter wirkt, welche Assoziationen mit den Darstellungen verbunden werden und welche Rollenbilder damit vermittelt werden. Um dies herauszufinden befragte ich sieben junge Frauen und Männer zwischen 20 und 22 Jahren.

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Die Gespräche verliefen sehr anregend und ich war positiv überrascht, wie offen meine Gesprächspartner und Partnerinnen über das nun doch sehr intime Thema der Unterbekleidung sprachen. Sehr interessant war auch, dass sich herausstellte, dass die meisten eher wenig über dieses Thema vor den Interviews nachgedacht hatten und so die Feldstudie meinen Gesprächspartnern die Möglichkeit gab, dies eingehender zu reflektieren.

Der Großteil der Befragten assoziierte sofort, dass die Werbungen Schönheitsideale darstellen. Schlanke Frauen mit großen Brüsten sowie durchtrainierte Männer mit „Six-Pack“. Während die einen die Unterwäschewerbungen eher ästhetisch, schön und elegant finden, sehen andere diese eher negativ und beschrieben sie als unecht, „gephotoshoped“ und unerreichbar. Für eine Befragte symbolisieren die Models erstrebenswerte Traumkörper, wohingegen für eine andere die Plakate „sowieso retuschiert“ sind. Eine Interviewpartnerin sieht in den abgebildeten Frauen nur Sexsymbole, die „immer schick, immer sexy und immer bereit sind“. Die meisten der Befragten waren der Ansicht, dass die Models auf Objekte reduziert werden, egal ob Frau oder Mann. Wie in den meisten Werbungen werde das Äußere in den Vordergrund gerückt. Viele vertraten die Meinung, dass in den Werbungen eher der Körper im Mittelpunkt stehe als die Unterwäsche, die meistens einfach und langweilig sei. In anderen Worten, die Werbemacher würden die Produkte vor allem mit nackter Haut verkaufen wollen. Andere sagten hierzu, dass Nacktheit nicht mehr wirke, da diese heutzutage kein Tabu mehr sei und uns überall begegne.

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Ein Großteil meiner Gesprächspartner sieht Unterwäschewerbung nicht als abwertende Reduzierung auf den Körper an, da es schließlich um Unterwäsche gehe und dadurch selbstverständlich viel Haut gezeigt werden müsse. Wenn jedoch eine leicht bekleidete Frau zusammen mit einem angezogenen Mann abgebildet ist, so sei dies definitiv abwertend. Auch wenn halb nackte Models in Werbungen inszeniert werden, die in erster Linie nichts mit Unterwäsche zu tun haben und für Produkte wie Parfüms werben, wurde dies überwiegend negativ gesehen.

Fast alle Befragten assoziierten mit Männerunterwäschewerbung sofort die Werbekampagne von H&M mit David Beckham. Und auch hier wurde vor allem auf den durchtrainierten Körper eingegangen. Die präsentierte Wäsche wurde meistens als langweilig beschrieben.

Des Weiteren wurde meistens die Nähe zur Sexualität und Erotik der Darstellungen angesprochen, beispielsweise durch Frauen, die sich auf Betten räkeln, aber auch durch die simple Tatsache, dass die Models wenig anhaben.

Einige der Befragten nahmen auch zu den dargestellten Rollenbildern Stellung. Sie betonten, dass in den Werbungen meistens die stereotypen Charakterzüge der beiden Geschlechter hervorgehoben werde. Starker Mann vs. schwache, elegante Frau. Der Mann muss vor allem stark sein und die Frau vor allem schön.

Im Laufe der Interviews kam auch die Frage auf, an wen die Frauen- / Männerunterwäschewerbungen gerichtet sind, d.h. wer die Zielgruppe ist und wen sie mehr ansprechen. Hierbei waren viele der Meinung, dass sowohl die Werbung für Frauen- als auch für Männerwäsche eher Frauen anspreche. Dies liege zum einen daran, dass Männer wesentlich weniger Auswahlmöglichkeiten hätten, sowie dass für Frauen der unbekleidete Männerkörper schön anzusehen ist. Eine der befragten Frauen sagte, dass sie Männerunterwäschewerbung mehr anspreche, da man sich mit den Frauen mehr vergleichen würde. Die befragten Männer sagten, dass sie Frauenwäschewerbung gerne ansehen, Männerwäschewerbung hingegen würde sie nicht ansprechen.

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Da Werbung vor allem zum Kauf anregen möchte, fragte ich meine Gesprächspartner worauf sie beim Kauf von Unterkleidung achten. Dabei stellte sich heraus, dass sowohl der Tragekomfort als auch das Aussehen eine zentrale Rolle beim Kauf spielen und man diese beiden Kategorien nicht gegeneinander ausspielen kann. Eine beliebte Strategie ist, zu den Wäschestücken zu gehen, die man schön findet, um sie dann in Hinblick auf Materialität und Sitz zu testen. Außerdem müsse man zwischen den verschiedenen Angeboten und Funktionen unterscheiden. Ein Sport-BH muss in erster Linie praktisch sein, wohingegen Reizwäsche vor allem schön aussehen muss. Beim Thema Aussehen/Ästhetik kann man auch noch zwei Kriterien unterscheiden. Auf der einen Seite die Auswahl nach eigenen Maßstäben, das heißt, das zu kaufen, was einem selbst am besten gefällt und mit dem man sich wohl fühlt. Und auf der anderen Seite den Geschmack des Partners mit einzubeziehen, was ihm/ihr gut gefällt. Dazu meinte der Großteil meiner Gesprächspartner, dass sie eher nach ihrem Geschmack einkaufen würden, da sie sich dadurch selbst auch schöner und selbstbewusster fühlen würden.

Abschließend kann ich sagen, dass die Gespräche sehr interessant waren. Es stellte sich heraus, dass Unterwäschewerbung nur eine sehr geringe Wirkung auf das Kaufverhalten hat. So gut wie jeder meiner Gesprächspartner machte deutlich, dass er/sie sich eigentlich nicht von Unterwäschewerbung beeinflussen lässt, sondern sich im Laden spontan für Wäsche entscheiden würde.