Schutzwäsche? Was steckt hinter der sogenannten Anti-Rape-Wear (AR WEAR) und wieviel Vertrauen wird ihr tatsächlich entgegengebracht?

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Keuschheitsgürtel?

Eine Art Antivergewaltigungsvorrichtungen gab es schon zum 19.Jahrhundert. Damals wurden Keuschheitsgürtel in England von Dienstmädchen zum Schutz vor Vergewaltigungen getragen.1 Historisch betrachtet wird also schon seit langem versucht ein Mittel gegen Vergewaltigungen zu finden.

Das modernste und bisher als am erfolgversprechendsten angepriesenen ist die AR WEAR, entwickelt von einem Unternehmen in New York.2 Bekleidung die vor Vergewaltigungen schützen soll – eine Art Schutzwäsche. Erreicht werden soll das durch einen in der Kleidung integrierten Verschluss-Code und die harte Struktur: „reinforced skeleton structure“. Es wird verhindert, dass die Shorts und Unterwäsche aufgerissen, zerschnitten, heruntergezogen – kurzum: geöffnet werden können. Dabei wird für mehr Selbstvertrauen und Sicherheitsgefühl für die Frau geworben:

Nur der/die Träger/in kann sie öffnen!

Nur der/die Träger/in kann sie öffnen!

„We wanted to offer some peace of mind in situations that cause feelings of apprehension, such as going out on a blind date, taking an evening run, “clubbing”, traveling in unfamiliar countries, and any other activity that might make one anxious about the possibility of an assault.“3

Im Internet und auf den Social Media – Plattformen gibt es dazu einige kontroverse Diskussionen. Eine oft vertretene Meinung ist, dass die Verantwortung nicht wieder bei der Frau zu suchen sei. Dass also nicht die Frau verantwortlich sei für Vergewaltigungen durch nicht getragene AR WEAR oder aufreizende Wäsche, sondern dass es vielmehr ein gesellschaftliches Problem sei, welches nur durch Aufklärung und Bildung zu beseitigen sei. Deshalb lehne man die AR WEAR ab. Es gibt aber auch gegenteilige Meinungen, die sich pro AR WEAR aussprechen: bei Auslandsaufenthalten und für „sorgenfreies“ Ausgehen.

UMFRAGE! WAS IST DENN NUN WIRKLICH WIE?

Bei diesen öffentlichen Diskursen und seitenlangen Diskussionen hat mich insbesondere interessiert, ob die Meinung gegenüber der AR WEAR tendenziell ablehnend ist oder diese prinzipiell befürwortet wird. Dafür habe ich 14 Menschen jeglichen Geschlechts per Online-Umfrage befragt.

Offenbar hat so gut wie niemand von AR WEAR gehört, gerade mal 29%, und nur 14% wissen worum es sich dabei handelt. Anscheinend ist AR WEAR also eine noch sehr unbekannte Produktpalette, sie haben jedoch trotz allem bereits die nötigen 50.000$ (momentan ~ 54.000$), die für die Produktion notwendig waren, auf der Plattform indiegogo.com gesammelt, und das innerhalb von nicht ganz 1 ½ Monaten.

Online-Umfrage: Würden Sie Antivergewaltigungsunterwäsche tragen?

Tragen würden es auch nur 21% der Befragten, also ganze 3 Menschen. Darunter sind zwei weibliche und eine männliche Person. Hierbei hat es mich überrascht, dass durchaus auch Männer ARWEAR tragen würden, es handelt sich somit anscheinend nicht nur um ein Schutzmittel für Frauen, sondern ebenso für Männer. Interessante Nebeninformation: Studien ergaben, dass 3% der Männer als Jugendliche oder Erwachsene vergewaltigt werden (bei Frauen 13%), wobei da aber wohl wieder meistens männliche Personen die Täter waren.4

Bei den weiblichen Befragten war der Hauptgrund es nicht zu tragen u.a. der Bequemlichkeitsaspekt, man zudem nicht mit der Einstellung durchs Leben gehe, jeden Moment vergewaltigt zu werden und man es für unnötig empfinde: Es würde ja auch zum Selbstschutz Pfefferspray geben, was wohl auch nicht wirklich helfen würde.

Offenbar ist also die tatsächliche Angst vor Vergewaltigungen möglicherweise so gering, dass man es nicht für nötig befindet sich mit Kleidung vor so etwas zu schützen. Vielleicht liegt das auch an den Unterschieden der jeweiligen Länder, USA – Europa, die AR WEAR wurde schließlich in den USA entwickelt.

Bei den männlichen Befragten waren die Hauptgründe die vorhandene körperliche Fitness, die Meinung, dass man nicht vergewaltigt werde und überraschenderweise, nicht wie zuerst erwartet bei den weiblichen Befragten, zudem das „Verantwortungs“-Argument, dass man die Schuld nicht bei den potentiellen Vergewaltigungsopfern suchen solle, sondern man eher potentielle Vergewaltiger verfolgen und aufhalten müsse.Twitter Beitrag zum Thema AR WEAR

Trotz der großen Ablehnung AR WEAR zu tragen, würden trotzdem 50% der Befragten es anderen empfehlen sie zu tragen. Ist es nicht seltsam? Irgendwie wollen die meisten Personen wohl nicht selbst AR WEAR tragen, würden es aber anderen empfehlen? Möglicherweise wollen sie nur darauf hingewiesen werden? Vielleicht geht das auch mit der starken Meinung einher, dass so gut wie alle, insgesamt 93%, glauben, dass die AR WEAR nicht zu einem Rückgang der Vergewaltigungen führen wird.

Um noch mehr Verwirrung zu stiften: Wie bereits erwähnt ergab die Umfrage, dass man nicht glaubt, dass die AR WEAR hilft. Ein angeführter Grund dabei ist: Die meisten Menschen würden keine AR WEAR kaufen. Man will also die AR WEAR nicht tragen und glaubt nicht, dass sie etwas bringt, da sie einfach kein anderer kaufen würde. Das hat den Anschein man wolle einfach nur nicht der oder die erste sein, der/die so etwas trägt.

Ein weiterer angeführter Punkt ist, dass dadurch sowieso keine Vergewaltigungen verhindert werden würden, da die meisten Sexualtäter psychisch krank wären. Durch diese Zuschreibung der psychischen Krankhaftigkeit der Sexualstraftäter, wird die Wahrscheinlichkeit, dass durch AR WEAR Vergewaltigungen zurückgehen, auf fast null gesetzt. Die Vergewaltiger seien psychisch krank und da helfe auch keine Antivergewaltigungsunterwäsche. Die meisten Befragten sprechen sich schlicht für mehr Aufklärung aus.

WAS BEDEUTET DAS NUN TATSÄCHLICH?

Angenommen, dass diese Umfrage repräsentativ für die Gesellschaft steht, ist es der Gesellschaft wohl vielmehr wichtig, sich eher mit der Aufklärung und Bildung der Menschen zu befassen, um einen Rückgang von Vergewaltigungen zu bewirken.

Berücksichtigt man die erfassten Antworten, dass nämlich vermutet wird, dass die meisten Sexualstraftäter psychisch krank seien, kommt man aber zwangsläufig zum Schluss, dass selbst Aufklärung nicht lückenlos helfen kann. Denn psychisch kranke Vergewaltiger lassen sich nicht unbedingt durch verstärkte Aufklärung und Bildung davon abhalten, vielmehr sind hier Therapien notwendig.

Fest steht allerdings, dass es größtenteils ein gesellschaftliches Problem ist, mit welchem man sich unbedingt befassen muss, insbesondere als kritisch-reflektierte und gebildete Gesellschaft. Daher darf man sich nicht dazu verleiten lassen, die Schuld für Vergewaltigungen bei den Opfern zu suchen, sondern vielmehr sich transparent und offen in der Gesellschaft damit zu befassen.

Ich persönlich kann das Argument der Verantwortung verstehen, sehe AR WEAR jedoch trotz allem als gute Möglichkeit sich selbst Schutz zu verleihen, denn Vergewaltigungen passieren, unabhängig vom Bildungsgrad einer Gesellschaft. Man kann es mit dem Verschließen eines Autos vergleichen. Wenn ich mein Auto offen stehen lasse, gehe ich das Risiko ein, dass das Auto gestohlen wird, denn obwohl Diebstahl strafbar ist und viel gegen Kriminalität getan wird, geschehen trotz allem Diebstähle. Der Dieb, oder vergleichsweise hier der Vergewaltiger entscheidet sich aktiv für eine Straftat bzw. eine Vergewaltigung und geht die möglichen Konsequenzen ein. Damit möchte ich nicht den Einfluss der Bildung und Aufklärung auf die Gesellschaft untergraben, ich sehe beides als notwendig an. Jedoch kann AR WEAR unterstützender Weise getragen werden und man kann zudem für weitere Aufklärung und transparente Diskurse zu Vergewaltigungen kämpfen.

Quellen:

1) Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Keuschheitsg%C3%BCrtel , zuletzt abgerufen am: 15.08.2014 21:34 Uhr.

2)AR WEAR auf indiegogo.com: https://www.indiegogo.com/projects/ar-wear-confidence-protection-that-can-be-worn , zuletzt abgerufen am: 15.08.2014 22:10 Uhr.

3) ebd.

4)Lara Stemple: Male Rape and Human Rights. Auf: http://scienceblogs.de/geograffitico/wp-content/blogs.dir/70/files/2012/07/i-e76e350f9e3d50b6ce07403e0a3d35fe-Stemple_60-HLJ-605.pdf , zuletzt abgerufen am: 15.08.2014 20:22 Uhr.

Benutzte Medien/Datenschutzrichtlinien:

1.) Keuschheitsgürtel: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Chastity_belt_in_Hamburg.jpg

2.) AR WEAR auf indiegogo.com: Datenschutzrichtlinien: https://www.indiegogo.com/about/privacy , insbesondere Abschnitt: „Personal Information We Collect or You May Provide“ : „Any Personal Information you Post as Member Content is available to the public without any expectation of privacy or confidentiality.“

4.) selbst erstelltes Bild

3.)Twitter-Beitrag: www.twitter.com: https://twitter.com/tos/previous/version_1 , insbesondere Abschnitt: „General Conditions“ : „The Twitter service makes it possible to post images and text hosted on Twitter to outside websites. This use is accepted (and even encouraged!). However, pages on other websites which display data hosted on Twitter.com must provide a link back to Twitter.“ zudem: http://www.rechtzweinull.de/archives/94-twitter-und-recht-sind-tweets-urheberrechtlich-geschuetzt.html