Das Comeback des Feinripphemd – Auf alte Bekannte trifft man gerne wieder?!

Alles kommt wieder. Das hat schon damals meine Großmutter gesagt, als die Schlagjeans von der Röhrenjeans abgelöst wurde. So auch mit dem Feinrippunterhemd für Männer. Ein guter alter Bekannter. Opas bestes Stück. Man kennt es in weißem Feinripp und als eine zweite Haut unter dem Hemd: im Winter wärmend und im Sommer den Schweiß aufsaugend. Aber weiß Man(n) auch damit umzugehen?

Die Meinungen von einer kleiner Auswahl männlicher Studenten aus Tübingen gehen bezogen auf Feinrippunterhemden nicht sehr weit auseinander. Umfrageantworten wie „wenn dann nicht sichtbar“ bis „dann lieber ganz ohne etwas drunter“ bestätigten mir den bereits beobachteten schlechten Ruf dieses Kleidungsstückes. Mit diesem im Hinterkopf ziehe ich nun durch die Tübinger Innenstadt. Die Augen offen für Männerunterhemden. Und weil ich nicht unter die Hemden der Männer gucken kann, suche ich solche, die das Unterhemd als Oberhemd tragen. Die Suche ist das Ziel. Wahrscheinlich sollte ich mehr in Richtung Schrebergärten laufen, dort wo bierbauchige Feinrippträger Passanten beobachten. Weil der Weg zu lang ist, entscheide ich mich den Baustellengeräuschen zu folgen. Bauarbeiter mit einer zu tief sitzenden Hose und in verdreckten Unterhemden sind mein Ziel. Das perfekt Klischee: Erotikkiller Feinripphemd.
Doch soweit komme ich gar nicht. Auf meinem Streifzug durch die Klamottengeschäfte, die Männerabteilungen besitzen und sich demnach an einer Hand abzählen lassen, werde ich auf etwas ganz anderes aufmerksam: es gibt tatsächlich eine Modebranche, die das Feinrippchen mit aller Gewalt aus der Klischee-Ecke raus auf die Straße holen will. Und damit mein ich nicht nur die lässig geschnittenen, bedruckten, farbigen Hippstershirts. Nein, das gute alte weiße, eng anliegende Feinripphemd aus reiner Baumwolle wird mir da zwischen Herrenjeans und Sweatshirts fern ab von der Unterwäscheabteilung präsentiert.

spotted: Opas bestes Stück

spotted: Opas bestes Stück

Alles kommt wieder. Auch das Hemd mit der längsten Geschichte. Von „wife beater“ und Erotikkillerruf ist in den Geschäften kein Anzeichen zu finden. Das Feinripphemd ist am wieder kommen. Nicht aus finanziellen oder praktischen Gründen. Nicht verschmutzt oder versteckt, sondern als Neueinsatz von Altem: das Unterhemd als Oberhemd. Dabei scheint es so, als würde die Modebranche ganz bewusst auf Nostalgie setzten. Ist der schlechte Ruf mit dieser Art von Rückgriff auf Altes gerettet? Wird Opas bestes Stück auf Tübingens Straßen also bald als Zeichen des guten Geschmacks und der Erotik zu sehen sein? Vielleicht fehlt nur noch die nötige Sonne. Denn Frauen laufen ja schließlich auch schon seit Jahren im gerippten Tanktop durch die Mittagshitze, und das nicht nur auf dem Weg ins Fitnessstudio. Oder liegt es mehr an den fehlenden Rahmenbedinungen? Ein Muskelshirt ist ja auch ohne Muskeln nicht sexy.

Die Freundin einer meiner Interviewpartner stellte in einem Nebensatz zu diesem Thema fest: „Wir müssen ja auch nicht immer alles veröffentlichen. Manches darf auch privat bleiben. Dann sieht es auch ästhetischer auf den Straßen aus“.
Also liebe Unter- als Oberhemd-Träger: Ihr seid definitiv modisch unterwegs, aber manchmal darf und sollte Man(n) auf ein Wiedersehen mit alten Bekannten verzichten.