Wie unterscheiden sich „rote“ Parteien?

Rot ist nicht gleich Rot. Wie die SPD, die Linke und die MLPD diese Farbe für sich nutzen und welchem Wandel sie unterliegt, wird im Folgenden gezeigt.

Nachdem die Farbe Rot 1848 zum ersten Mal in Deutschland als politische Signalfarbe in Gebrauch kam, dauerte es nicht lange, bis der 1863 gegründete „Allgemeine Deutsche Arbeiterverein“ (ADAV) sie für sich entdeckte.1 Eine rote Fahne des ADAV mit der Aufschrift „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!“ bezeichnet die der SPD nahestehende Friedrich-Ebert-Stiftung in einem Internet-Beitrag zur Geschichte der Arbeiterbewegung als die „Traditionsfahne der SPD“, denn über einige Umwege gingen viele ehemals im ADAV organisierte Genossen später in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) auf, die im Jahr 1869 gegründet wurde.2 Daraus entstand später schließlich die heutige SPD.

Richtig viel „Rot“ war bei der SPD zum letzten Mal bei ihrem Wahlkongress im Jahr 1953 zu sehen. Dort waren immerhin 100 rote Parteifahnen im Raum platziert, was der SPD eine negative Berichterstattung einbrachte, wie der Berliner Politikwissenschaftler und Soziologe Bernd Schüler schreibt. Er schlussfolgert, dass man „In der Parteiführung fürchtete […] mit dem Kommunismus in Verbindung gebracht zu werden“, weswegen seit den 60er Jahren auf Parteitagen nur noch die Traditionsfahne gezeigt werde.3
Die rote Fahne mit dem weißen „SPD“ Schriftzug war zumindest in den letzten Jahren bei SPD-Parteitagen wieder zu sehen. Vielleicht liegt es daran, dass die Parteiführung heute eher befürchten muss in ihrer „neuen Mitte“ nicht einmal mehr mit Sozialdemokratie in Verbindung gebracht zu werden.4 So bleibt der „alten Dame SPD“ zumindest die rote Farbe als Zitat, um klassisch-sozialdemokratische Wähler bei Stimmung zu halten.

Doch auch wenn das Rot zum Parteitag zurückgekehrt ist, die Selbstdarstellung der SPD ist auch heute noch stark von anderen Farben sowie Farbverläufen geprägt. Beim Bundestagswahlkampf 2005 war beispielsweise oft ein Farbverlauf von Dunkellila zu Rot ins Bild gesetzt. Dieses Lila findet sich unter Bezeichnung „Purpur“ auch heute noch im „Corporate Design Manual der SPD“, welches sich als PDF auf der Homepage der Genossen herunterladen lässt.5
Dort kann der angehende SPD-Layouter erfahren, nach welchen Vorgaben er Werbematerialien erstellen kann, die dem vorgeschriebenen „Corporate Design“ entsprechen:

„Aus der Einführung der neuen Zusatzfarbe Purpur ergeben sich im Corporate Design zwei gleichwertige Umgangsformen für den Einsatz der Farben Rot und Purpur. Die Gestaltung einiger Werbemittel ist grundsätzlich mit einem großen
Einsatz von Rot oder von Purpur möglich. Die Verwendung steht zur freien Ver­fügung, wünschenswert ist jedoch die überwiegende Verwendung des Rots für traditionelle SPD-Themen und ein mehrheitlicher Einsatz von Purpur für neue Themensetzungen und Botschaften.

Rot und Purpur werden im neuen Corporate Design großflächig eingesetzt. Wird nur ein Farbton verwendet, kommt ausschließlich Rot zum Einsatz.“6

Dabei ist zumeist ein roter Kasten mit einem lila Strich darunter zu sehen, bzw. umgekehrt.
Zudem werden „Gelb, Weiß und Türkis“ verwendet, jedoch „nur für Akzente [..], etwa als Hintergrundfarben für Textflächen oder Grafiken.“7

SPD Manual zur Farbverwendung

Aus dem Manual der SPD zur Farbverwendung im Sinne des Corporate Design

Neben den Farbvorgaben werden auch bestimmte Motive und Blickwinkel für Photos vorgeschlagen, die „Nähe zu den Menschen, Offenheit und Dialog“ zeigen sollen, wobei das Bildmotiv aber „nie inszeniert“ wirken darf.8

Neben der Farbgebung muss zudem die Position des SPD-Logos (der weiße Schriftzug SPD in einem roten Quadrat) nach den Regeln des Corporate Design gesetzt werden. Dazu gehört, dass das Logo „ausschließlich zentriert eingesetzt“ werden soll, was denn auch wortreich ideologisch begründet wird:

„Die SPD ist die Partei der Mitte. Einer linken Mitte in Deutschland. Das war sie schon immer und wird sie immer bleiben. Dem trägt nun auch das Corporate Design der SPD Rechnung.
Zukünftig steht daher das SPD-Logo selbstbewusst und fest in der Mitte aller Kommunikationsmittel. Die SPD stellt sich damit in die Offenheit des Dialogs, versteckt sich nicht in der Ecke, sondern bezieht auch optisch klar Stellung und Haltung. Sinnbildlich stellt sich die SPD damit in die Mitte der Gesellschaft und ihrer Diskurse. Die markante Positionierung des Logos ist zudem ein deutliches Bekenntnis zu sozialdemokratischen Positionen und zu einer klaren Absender­schaft. Die zentrierte Position des SPD-Logos ist ein Grundbaustein des folgenden Corporate Designs.“9

Website der SPD

Die Website der SPD mit zentriertem SPD-Logo.

Was hier deutlich wird: Neben der Farbe sind es v. a. die Platzierung von gestalterischen Elementen, die Auswahl von Bildern, sowie nicht zuletzt die Typographie (auch die wird im SPD-Manual vorgegeben), die eine Partei oder Organisation von anderen durch klare Unterscheidung abgrenzt. Auch die exakten Pantone-Farbtöne gibt das Manual den Gestaltern vor Ort mit auf den Weg und zwar je nach Art des Papiers unterschiedliche Varianten davon.10

Auch bei der Partei „Die Linke“ finden sich auf der Homepage im Bereich Service detaillierte Hinweise und vor allem Beispiele für den Umgang mit dem Parteilogo und die Anordnung sowie Farbgebung von Materialien zur Öffentlichkeitsarbeit.11 Allerdings ist das öffentlich zum Download verfügbare Material nicht ganz so ausführlich und detailliert wie bei der SPD.

Die Linke setzt die Farbe Rot als Grundfarbe sehr viel intensiver in ihren Materialien ein, wobei das Logo selbst allerdings meist in schwarzer Kursivschrift auf weißem Grund erscheint. Das i-Tüpfelchen ist dabei in der Form einer kleinen roten Flagge gehalten, womit eher subtil an das Symbol der roten Fahne angeknüpft wird.

Logo der Partei "Die Linke."

Das Logo der Partei „Die Linke.“ mit der kleinen roten Flagge anstelle des i-Tüpfelchens.

Mit Bezug auf den Wahlkampf im Jahr 2005 konstatierte Erik Spiekermann im September 2005 in der Frankfurter Rundschau, die Werbung der Linken sei in „fröhlichen Farbtönen“ gehalten, die „eine lustige Supermarktästhetik von Preisschildern, Aufklebern und Warnmarken (zitierten), die es so hübsch in keinem Discounter“ gäbe.12 Davon sollten sich wohl auch Wähler angesprochen fühlen, die vom traditionellen Rot eher abgeschreckt worden wären.

Angesichts dieses fast beliebig wirkenden Einsatzes von Farben kann man vermuten, dass die „Parteifarben“ heute nur im Rückgriff auf die eigene Tradition und Geschichte von besonderer Relevanz sind, während für gestalterische Fragen andere Aspekte im Vordergrund zu stehen scheinen.

Website der DKP

Die Website der DKP: Textwüste mit Rot, Weiß und ein bisschen Gelb.

Die Website der DKP (Deutsche Kommunistische Partei) erweckt den Eindruck, dass hier ein weniger „professionell“ durchgeplantes Design-Konzept verfolgt wird. Es gibt zumindest keine öffentlich einsehbaren Dokumente oder Erklärungen bezüglich der optischen Ausgestaltung von DKP-Materialien und auch die Seite selbst ist zwar informativ, wirkt aber graphisch weniger ansprechend als die Seiten von SPD und Linkspartei. Statt kurzer Informationshäppchen werden hier Textwüsten präsentiert. Farblich fallen weiße und gelbe Links auf rotem Grund, sowie rote und schwarze Schrift auf weißem Grund auf. Gelb (wie in der Flagge der Sowjetunion?) ist die Zusatzfarbe der DKP, sie taucht weder bei der Linken noch bei der SPD auf. Das Logo setzt sich zusammen aus dem Schriftzug „DKP“ sowie dem Symbol von Hammer und Sichel oberhalb des letzten Buchstabens. Schrift und Symbol sind weiß, der Hintergrund ist rot. Weiß und Rot sind die dominierenden Farben der DKP.

Auch die MLPD verwendet neben rot und weiß die Farbe Gelb, die hier allerdings deutlich präsenter ist. Das gelbe Logo besteht aus dem Schriftzug „MLPD“, vor dem sich das Symbol von Hammer und Sichel befindet, ergänzt um ein davor platziertes Buch. Das Symbol ist gleich hoch wie die Schrift. In der zweiten Zeile wird in deutlich kleinerer weißer Schrift auf der vollen Breite der ersten Zeile der Name der Partei aufgelöst: „Marxisisch-Leninistische Partei Deutschlands“. Der Hintergrund ist in Rot gehalten.
Die Website ist deutlich „moderner“ im Design und könnte irgendwo zwischen SPD und DKP eingestuft werden, was die „professionelle“ Anmutung der technischen Umsetzung anbelangt. Unter „Service“ findet sich hier auch ein Punkt „Gestaltungsmittel“, der aber nur mit Benutzername und Passwort zugänglich ist, so dass sich nur vermuten lässt, dass es dort Vorlagen und vielleicht auch ein Manual gegeben hätte.

Website der MLPD

Die Website der MLPD in den Farben Rot, Gelb und Weiß.

Während die Plakate der MLPD oft einen kaum merklichen Farbverlauf zwischen verschiedenen Rot-Tönen aufweisen, verwenden DKP, SPD und Linke die Farbe Rot ausschließlich in einem einheitlichen Ton.

Es scheint nicht in erster Linie der Farbton zu sein, über den sich die „roten“ Parteien optisch voneinander zu unterscheiden versuchen, sondern vielmehr die Gesamtkomposition aus verschiedenen gestalterischen Elementen. Die interessanteste Auffälligkeit ist dabei allerdings das ambivalente Verhältnis der SPD zur Farbe Rot. Auch könnte man sich die Farbe Gelb im Zusammenhang mit der Linkspartei kaum vorstellen. Somit kommunizieren die Parteien durchaus über die von ihnen eingesetzten Farben, auch wenn man sich nicht darauf verlassen kann einer Farbe direkt ein politisches Programm zuweisen zu können. Die CDU schreibt sich schließlich schon ewig in drei roten Großbuchstaben.

Quellen:

3 Vgl. Schüler 2014
6 Ebd., S. 12 (PDF)
7 Ebd.
8 Ebd., S. 14f (PDF)
9 Ebd., S. 18 (PDF)
10 Vgl. Ebd., S. 13
12 Erik Spiekermann: Gedeckte Stimmung, gedeckte Farben. In: Frankfurter Rundschau vom 01.09.2005, S. 12.
Zitiert nach Schüler 2014.
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