„DER BLAUE TOD“ – HOLLYWOOD STIRBT IN EINER FARBE

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erschien Farbe zum ersten Mal im Film. Mit Hilfe der Schablonenkolorierung wurde der Farbwelt im Kino zu jener Zeit erstes Leben eingehaucht. 60 Jahre später löste die Farbfilmtechnologie den Schwarzweißfilm ab und eroberte das Genre des Westerns und des Musicals.[1] Gegenwärtig werden die Grundfarben in Mehrschichtfarbfilmen in mehr als einem dutzend Farbschichten übereinandergelegt und das Farbverfahren somit scheinbar perfektioniert.[2]

Eine Existenz Hollywoods vor dem Angesicht abstinenter Farbwelten ist daher nur noch mit wenigen Ausnahmen, wie dem Oscar prämierten Schwarzweißfilm „The Artist“ aus dem Jahr 2011, vorstellbar. Ausschlaggebend ist die Geschichte und Symbolkraft jener Farben, die dem Zuschauer auf einer Metaebene begegnen, welche die Filmklassiker zum Leben erwecken und die Hauptdarsteller in ihrem Schein sterben lassen.

Blau ist hierbei die zentrale Farbe, die den Ton angibt. Filmästhetisch betrachtet erscheint sie neben den nächtlichen, trübseligen und melancholischen Assoziationen, als die Farbe des Todes.[3] Schicksalshafte Begegnungen mit der ausdrucksstarken Farbkomponente definieren die Handlung diverser Filmepen. Ridley Scott thematisiert sie in seinem Werk „Gladiator“ aus dem Jahr 2000. Der Held Maximus Decimus Meridius, versunken in seiner Todesvision, steht inmitten einer blau melierten Asphodelenwiese, dem Jenseitsland der Unterwelt. [4] (http://youtu.be/72uwmHsFSAg?t=2m23s – Maximus Decimus Meridius Todesvision) Tom Tykwers gescheiterten Helden des Dramas „Heaven“ aus dem Jahr 2002 erscheint der Tod als bildliche Metapher des hellblauen Himmels, dem sie in einem Helikopter entgegen fliegen.[5] Eine inszenierte Himmelfahrt im religiösen Kontext, eine Flucht in die Unendlichkeit des Blauen, die den Akteuren über den Tod hinaus eine neue Perspektive eröffnet. (http://youtu.be/RDLNnCwq4dQ?t=10m – Tom Tykwers gescheiterte Helden fliegen Richtung Himmel)

Als symbolische Erscheinung vertreibt der blaue Tod in vielen Sequenzen den realistisch in Szene gesetzten Tod aus dem Film.[6] So tritt auch das tiefe und meist undurchdringliche Blau des Wassers als Gespiele des Todes auf. Der amerikanische Lyriker Walt Whitman beschreibt diese Erscheinung folgendermaßen: „Das Wassergrab ist stets bereit, den Körper des Ertrinkenden zu bergen und ihm ein neues Leben in einer anderen Existenzform, eine Wiedergeburt, zu schenken. Der blaue Tod im Wasser vollzieht sich – so verstanden – mitten im Leben.“[7] Darsteller versinken sinnbildlich im Unbekannten und Grenzenlosen, in der blauen Ewigkeit, die sie umhüllt und verschlingt, die ihnen das Ende und zugleich einen Neuanfang ihres Lebens offenbart.

So geschehen in dem Antikriegsfilm „The thin red line“ von Terrence Malick aus dem Jahr 1998. Private Witt, gefangen im Pazifikkrieg, fällt auf dem Schlachtfeld. Witts Charakter wird erschossen, seinen eigenen Tod erlebt dieser jedoch durch das gleichnishafte Eintauchen in das blaue Meer. Fern der blutigen Realität nimmt sich das Wasser seiner an und überführt ihn in eine weit entfernte Welt. Es ist ein friedlicher, ein leichter Zustand den Witt erlebt, befreit von Schmerz und Angst.[8]

Der blaue Tod beschreibt keine eindimensionale Begegnung mit den gefallenen Helden Hollywoods. Unendliche Weiten des Himmels, grenzenlose Tiefe des Meeres, Flucht in die Mythologie, es wird variationsreich gestorben und die Farbe Blau spielt dabei den unbeirrten Begleiter.


[1] Vgl. Gert Koshofer: Color. Die Farben des Films. Mit einer Einführung von Raymond borde. Berlin 1988, S.7-9.
[2] Vgl. Susanne Marschall: Farbe im Kino. 2. überarbeitete Auflage. Marburg 2009, S. 314-315.[3] Vgl. ebd., S.61.
[4] Vgl. ebd., S.64.
[5] Vgl. ebd., S.66.
[6] Vgl. ebd., S.64.
[7] Ebd., S.63.
[8] Vgl. ebd.