Farbe im Film als dramaturgisches Mittel

Die meisten kennen es, man schaut einen Film an und wird ganz mitgerissen. Nun, das kann viele Gründe haben. Neben schauspielerischer Glanzleistung kann auch Licht, Bewegung, aber auch Geräusche, Musik, filmische Requisiten oder Farbe emotionale Wirkungen hervorbringen.[1] Im Gegensatz zum Schwarz-Weiß-Film vermittelt der Farbfilm deutlich mehr visuelle Informationen. Dies hat zur Folge, dass die Zuschauer tiefer in die Handlung, den Dialog und die Psychologie des Filmerlebnisses hineingezogen werden können. Dahingegen nehmen im Schwarz-Weiß-Film die Komposition, der Ton und die Inszenierung des Künstlers eine wichtigere Rolle ein.[2] In diesem Beitrag soll speziell Farbe im Film als dramaturgisches Mittel dargestellt werden.

Farbe im Film als naturgegebene Farben

Wir sehen im Alltag überall Farben und nutzen diese; Farben sind bestimmten Moden unterworfen oder passen in unsere regionalen Vorlieben. Eines ist dabei klar: Farben werden meist unbewusst wahrgenommen, und so ist es auch in Bildern oder in Filmen, dass Farben eine nebensächliche Rolle einnehmen. Der Zuschauer geht davon aus, dass die genutzten Farben im Film naturgegebene Objektfarben sind. Beschäftigt man sich aber mit der technischen Umsetzung eines Films, wird deutlich, dass die Auswahl der Farben das genaue Gegenteil naturgegebener Farben darstellt.[3] So können filmische Farben nicht immer mit der Realität übereinstimmen. Grundsätzlich muss deswegen unterschieden werden, ob Farbe und Farbobjekte im Film eine dramaturgische Bedeutung zugeschrieben wird oder ob sie in einem normalen Handlungsraum abgebildet sind.[4] Im letzteren Fall stellt dies ein Abbild der Realität bzw. des Urbilds dar.[5] Wenn Farbe dramaturgische Bedeutung erhalten soll, kann festgestellt werden, dass es diesbezüglich verschiedene Gestaltungsvarianten gibt.

Farbe im Film als Ausdrucksfunktion: Mittelcharakter, emotiv-affektive Assoziativität, symbolische Funktion

Farben gelten als filmische Mittel und gehören dem Ausdrucksbereich an. Farbe ist dabei nur ein Mittel unter vielen anderen, um die bildliche Intention auszudrücken, neben ihr zählt der Ton, die Landschaft, die Musik, die Schauspielerführung usw. dazu.[6] In einem Film müssen sämtliche Mittel so eingesetzt werden, dass sie tatsächlich das ausdrücken, was ausgedrückt werden soll. Daraus kann gefolgert werden, dass Farben in der Variante als Mittelcharakter nur mit dem Inhalt des Films gemeinsam analysiert werden können.[7] Alle anderen Mittel spielen eine ebenso wichtige Rolle und Farbe als ein Teil dieser Mittel wird in der übergeordneten Ganzheit des Films funktionalisiert.

Quelle 1 aus Richie Rich (USA 1994), Beispiel für Farbe als Mittelcharakter: Erst durch das Zusammenwirken der Schauspieler, der Ausstattung/Requisiten, des Ton, des Raums sowie der Farben erscheint diese Szene pompös.

Quelle 1 Screenshot aus Richie Rich (USA 1994), Beispiel für Farbe als Mittelcharakter: Erst durch das Zusammenwirken der Schauspieler, der Ausstattung/Requisiten, des Ton, des Raums sowie der Farben erscheint diese Szene pompös.

Farbe im Film kann auch emotionale und affektive Erlebnisqualitäten schaffen, die sich aus kultur- und lebensgeschichtlichen Erfahrungen weitertragen und auch als Urprägung bezeichnet werden.[8] Obwohl dieser Aspekt nicht ganz nachgewiesen ist, da solche emotionalen und affektiven Empfindungen angelernt und kulturell verschieden ausgelegt sein können, wird er in der filmischen Dramaturgie eingesetzt.[9] Mit der filmischen Nutzung von Farbe werden allgemeine und die Sinne ansprechende Farbassoziationen hergestellt. Die Farbe Blau beispielsweise wird im Allgemeinen mit passiv, zurückgezogen, sicher und friedlich assoziiert. Verwendet man die Farbe Blau jedoch an Objekteigenschaften, löst sie die Assoziationen kalt, nass, glatt, fern, leise, voll, stark, tief oder groß aus.[10] Die Funktion der Farbe wird durch die Narration unterstützt und steht selten allein im Vordergrund.[11]

Quelle 2 aus Dark Shadows (USA 2012), das Dunkelblaue des Raums wirkt in dieser Szene sehr kalt. Die Objekte treten nicht in den Vordergrund. Insgesamt wirkt diese Szene trist. Diese Wirkung passt gut zur Hauptfigur, denn sie ist ein Vampir.

Quelle 2 Screenshot aus Dark Shadows (USA 2012), das Dunkelblaue des Raums wirkt in dieser Szene sehr kalt. Die Objekte treten nicht in den Vordergrund. Insgesamt wirkt diese Szene trist. Diese Wirkung passt gut zur Hauptfigur, denn sie ist ein Vampir.

Eine weitere dramaturgische Gestaltungsweise von Farbe kann durch die symbolische Deutungsebene geschaffen werden.[12] Dies funktioniert, wenn Farben oder besondere Farbobjekte bereits außerhalb des Films einen Symbolcharakter haben und in den Film eingebaut wurden.

Quelle 3 aus Lola rennt (D 1998), bedient sich eines Symbols, das auch außerhalb des Films geltend ist, nämlich der gelben Blindenarmbinde.

Quelle 3 Screenshot aus Lola rennt (D 1998), bedient sich eines Symbols, das auch außerhalb des Films geltend ist, nämlich der gelben Blindenarmbinde.

Oder bestimmte Symbole haben sich genre- oder medientypisch durchgesetzt.

Quelle 4 aus Bruce Allmächtig (USA 2003), die Farbe weiß wird in Filmen medientypisch als das Gute (oder als die Unschuld, Sauberkeit, …) verwendet. In dieser Szene sitzt Gott im weißen Anzug auf einem weißen Bürostuhl. Der ganze Raum ist in Weiß gehalten und wirkt steril und sauber.

Quelle 4 Screenshot aus Bruce Allmächtig (USA 2003), die Farbe weiß wird in Filmen medientypisch als das Gute (oder als die Unschuld, Sauberkeit, …) verwendet. In dieser Szene sitzt Gott im weißen Anzug auf einem weißen Bürostuhl. Der ganze Raum ist in Weiß gehalten und wirkt steril und sauber.

Oder sie haben sich erst im filmischen Kontext gebildet.

Quelle 5 aus Little Miss Sunshine (USA 2006), der gelbe VW-Bus wird zum Symbol im Film.

Quelle 5 Screenshot aus Little Miss Sunshine (USA 2006), der gelbe VW-Bus wird zum Symbol im Film.

 … dennoch ist der Kontext wichtig!

In Etappen konnte gezeigt werden, dass Farben im Film nicht naturgegeben sind, sie werden technisch aufbereitet. Alles, was Farben in einem normalen Handlungsraum zeigt, ist das Abbild eines Vor-oder Urbildes. Farbe wird aber auch als dramaturgisches Medium eingesetzt, und zwar zusammen mit anderen filmischen Mitteln. Ebenso wird Farbe als emotiv-affektive Assoziativität verwendet, indem Farben eine bestimmte Bedeutung zugesprochen wird und sie durch Narration unterstützt werden, oder sie nimmt eine symbolische Funktion ein, weil bestimmte Farben und Farbobjekte bereits Symbolcharakter haben oder diesen erst durch den Film erhalten. All diese dramaturgischen Mittel haben eines gemeinsam: Farbe sollte im Kontext ihrer Funktion und Beschaffenheit interpretiert werden, da ihre Eigenschaften sich erst im Kontext entfalten. Eine Beschreibung der Farbe lässt sich somit nicht von einer Beschreibung der Narration und der anderen filmischen Mittel trennen, erst dann erhält sie einen dramaturgischen Charakter.


[1] Vgl. Susanne Marschall: Farbe im Kino. Marburg 2009, S. 29.

[2] Vgl. James Monaco: Film verstehen. Kunst, Technik, Sprache, Geschichte und Theorie des Films und der Medien. Mit einer Einführung in Multimedia. Reinbek bei Hamburg 1995, S. 113.

[3] Vgl. Marschall 2009, S. 22.

[4] Hans J. Wulff: Die signifikativen Funktionen der Farben im Film. In: derWulff.de, 2010, S. 1-10, hier S. 2. http://www.derwulff.de/2-19 (letzter Zugriff 07.03.14).

[5] Ebd., S. 3.

[6] Ebd., S. 3; Marschall 2009, S.29.

[7] Vgl. Wulff 2010, S. 3.

[8] Harald Braem: Die Macht der Farben. Was Farben über die Persönlichkeit aussagen, wie sie wirken und welche Gefühle sie auslösen. München 1991, S. 10.

[9] Ebd., S. 4.

[10] Wulff 2010, S. 4.

[11] Vgl. ebd., S. 4.

[12] Vgl. ebd., S. 5.

Quellen:

Quelle 1: Richie Rich, Youtube: http://www.youtube.com/watch?v=Yddr5thpDTE (letzter Zugriff: 07.03.14).

Quelle 2: Dark Shadows, Youtube: http://www.youtube.com/watch?v=i8AL2qqcnyw (letzter Zugriff: 07.03.14).

Quelle 3: Lola rennt, Youtube: http://www.youtube.com/watch?v=0kjf3bofg2g (letzter Zugriff: 07.03.14).

Quelle 4: Bruce Allmächtig, Youtube: http://www.youtube.com/watch?v=a3oJIbFvYAI (letzter Zugriff: 07.03.14).

Quelle 5: Little Miss Sunshine, Youtube: http://www.youtube.com/watch?v=wvwVkllXT80 (letzter Zugriff: 07.04.14).