Rot–Gelb–Grün im Takt. Wie Farben im Straßenverkehr zum Handlungsanweiser werden.

Mal schwimmen wir auf der grünen Welle, mal verfluchen wir das Dauerrot an einer unbefahrenen Kreuzung: Ampeln sind im urbanen Alltag selbstverständlicher Wegbegleiter. Es sind dabei die drei Farben Rot, Gelb und Grün, die unsere Bewegungen steuern, ein Gehen und Stehen auf Befehl. Wir zollen diesen drei Farben täglich Sekunden des Gehorsams.1

Eingeführt wurden Lichtsignalanlagen um die Jahrhundertwende. Sie sollen den Verkehrsablauf auf den Straßen flüssiger und sicherer machen. Eingebettet sind sie in entstehende Verkehrsleitsysteme, in denen nicht allein Piktogramme und Schrift, sondern auch Farben zu zentralen Codes werden.2 Im Laufe des 20. Jahrhunderts erfährt die Ampel ihre internationale Standardisierung und Verbreitung: Rot bedeutet stop, Grün go. Und das weltweit.

„Achtung Ampel“ – Verkehrsschild der deutschen Straßenverkehrsordnung.

„Achtung Ampel“ – Verkehrsschild der deutschen Straßenverkehrsordnung.
Foto: Wikimedia Commons.

Warum schafften es genau diese drei Farben in den Olymp der Straßenverkehrsordnung? Ästhetischer Geschmack oder nationaler Distinktionswunsch mögen für die Ingenieure und Gesetzgeber nicht ausschlaggebend gewesen sein. Die Spuren führen zurück in die englische Schifffahrt und den im 19. Jahrhundert beginnenden Schienenverkehr, in der sich Rot und Grün schon als Warn- und Signalfarben bewährt hatten.3 Gelb wird später als Mittlerfarbe eingeführt. Dass diese Wahl nach physiologischen Gesichtspunkten äußerst geschickt war, wusste man damals noch nicht. Erst in späteren medizinischen Studien zeigt sich, wie gut das menschliche Auge auf Wellenlängen im gesättigten roten und grünen Farbbereich reagiert.4 Um welche genauen Farbtöne des Spektrums es sich bei den drei Farben zu handeln hat, regelt die Normfarbtafel der CIE (Internationale Beleuchtungskommission). Bestehende Konventionen fanden hierüber ihre Festlegung, auch wenn die sich verändernden Lichtverhältnisse auf den Straßen diese täglich untergraben mögen.

Die festgelegte Ampel-Farbfolge lebt vom Gegenüber von Rot und Grün, denen gegensätzliche Handlungsanweisungen eingeschrieben sind. Was beispielsweise bei Rot zu tun ist, lässt sich jedoch nicht über eine vermeintlich biologische Verankerung begründen. Würde rote Farbe qua natura auf Gefahr verweisen, sollte man den Gang zur Sparkasse oder das Wählen der SPD noch mal gründlich überdenken. Zeichen – und Farben fungieren als eben solche – sind erst im Handlungszusammenhang richtig zu verstehen. Auch muss man die Bedeutung der drei Ampelfarben lesen gelernt haben, wie Eltern heranwachsender Kinder gut wissen. Verstöße gegen das urbane Ordnungsprinzip der Ampel werden bestraft. Und doch zeigt sich, dass Menschen auf die Signalfolge nicht in einem Automatismus reagieren.5 Hier und da entwickeln sich individuelle Anpassungsstrategien: Man reizt die Länge des Grüns bis zum Anschlag aus oder geht auch mal quer über die Straße.

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Die Leuchtkraft einer roten Ampel bei Nacht.
Foto: 生活童話/Flickr, CC BY-SA 2.0.

Die Anweisungen hinter Rot, Gelb und Grün liegen also nicht in den Farbtönen selbst, sondern in ihrer soziokulturellen Codierung.6 Die Farbsemantik wird so zur Sprache der Verkehrsampel, die mit ihrer Schaltung Ordnung vermitteln und schaffen will. Ihre Farbfolge wird dabei zum konstitutiven Element, das auch losgelöst vom schwarzen Gehäuse eine Ampel assoziieren lässt. Durch ihre konsequente Umsetzung verankert sich die Bedeutung der Dreier-Farbfolge und es verwundert nicht, dass die Farbkombination als Bewertungsmuster in anderen Lebensbereichen Einzug hielt: Ob beim Energieverbrauch von Elektrogeräten, der Nährwertampel oder einer Hygieneampel für die Gastronomie, hier wird die Wertigkeit der drei Farben aufgegriffen. Zwischen den Polen von gut und schlecht, erlaubt und verboten bewegen wir uns im grünen Bereichoder bekommen gar die ‚rote Karte‘ gezeigt.

Bei der Wahl des Farbpaares Rot–Grün, das den Takt der Ampel bestimmt, überlagern sich in besonderer Weise physikalische, physiologische und kulturelle Bedingungen:7 In den Farben der Ampel begegnen sich Natur und Kultur.

1 Monika R. Rulfs: Rot-Gelb-Grün. Sekundenphasen der Ordnung. Ethnographische Betrachtungen über die Ampel. In: kea. Zeitschrift für Kulturwissenschaften, 1995, H. 8, S. 61-78, hier S. 76.

2 Vgl. Martin Krampen: Geschichte der Straßenverkehrszeichen. Diachrone Analyse eines Zeichensystems. Tübingen 1988, S. 146f.

3 Krampen 1988, S. 27. Man beachte: Bis heute bestehen zwischen dem amerikanischen und europäischen Straßenverkehrszeichensystem Uneinheitlichkeiten, Gefahrenzeichen werden dort Gelb, hier Rot gekennzeichnet. Daran zeigt sich, dass die Botschaft nicht in der Farbe selbst angelegt ist, sondern erst das Ergebnis von Erprobungen und Festlegungen ist.

4 Vgl. Max J. Kobbert: Das Buch der Farben. Darmstadt 2011, S. 88f.

5 Rulfs 1995, S. 71.

6 Hans Peter Thurn: Farbwirkungen. Soziologie der Farbe. Köln 2007, S. 66.

7 Joachim Knuf: Unsere Welt der Farben. Symbole zwischen Natur und Kultur. Köln 1988, S. 111.