Er ist also wieder da: der Bart. Ganz egal, ob als Vollbart, Schnurrbart oder Drei-Tage-Bart. Prinzipiell ist er in allen Altersklassen zu finden, aber momentan maßgeblich bei jungen Männern zwischen 20 und 30 Jahren wieder beliebt. Hier lassen sich zahlreiche, individuelle Variationen der Gesichtsbehaarung ausmachen und allerhand Zeitschriften sowie unterschiedliche Internetseiten sind vollgepackt mit Anleitungen, Tipps und Produkten rund um die Bartpflege – sogar Bartimplantate können hier erworben werden. In der Vergangenheit hat der Bart eines Mannes viel über ihn ausgesagt. So formuliert der Psychologe und Autor Allan Peterkin: „Man konnte die politische Einstellung, Religion und sozialen Status am Bart eines Mannes ablesen. Aber im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert änderte sich das. Du kannst heute nicht mehr wissen, was der Bart eines Mannes bedeutet, ohne ihn zu fragen. Wir interpretieren alle eine gewisse Bedeutung in bestimmte Bärte, aber das muss nichts (mehr) über die Person aussagen“[1].
Mit Blickrichtung auf die Gegenwart werden – analog zur textilen Mode – die Kreationen und Kombinationen der Gesichtsbehaarung sozial durchlässiger. Früher waren meist die privilegierten Stände Impulsgeber und modische Vorbilder. Heutzutage werden diese Trends hingegen vielmehr über Massenmedien und unterschiedliche Subkulturen der Gesellschaft vermittelt. Bärte repräsentieren also im Gegensatz zu früher keinen gesellschaftlichen Status mehr, sondern dienen vielmehr als Ressource des Selbstausdrucks. So sind auch laut der Studie von Christina Wietig 77 % der Bartträger der Meinung, dass ein Bart die eigene Individualität unterstreiche. Die Pluralität der gegenwärtigen Bartmoden belegt das Bedürfnis nach subjektiv inszenierter Körperbildästhetik im konventionellen Rahmen der Massengesellschaft.[3]
So viel zur Theorie. Doch welche Antworten bekommt man, wenn man Bartträger wirklich fragt? Was sind die individuellen Gründe für das Tragen eines Bartes und wie verändern sich diese? Hierzu habe ich exemplarisch bei zwei Bartträgern nachgefragt.
Benedict (27), der in Tübingen lebt und arbeitet und einen etwa 10mm langen Vollbart trägt, sagt, dass er über die meiste Zeit seines Studiums hinweg einen Drei-Tage-Bart getragen habe. „Das veränderte sich erst wieder, als ich mein Studium beendet und angefangen habe zu arbeiten. Für Bewerbungsfotos und Vorstellungsgespräche habe ich mich plötzlich wieder rasiert, weil mir das damals seriöser erschien. Doch lang hielt das nicht. Als ich dann auf einen Schlag Job, Stadt und soziales Umfeld gewechselt habe, kam auch der Bart zurück und wurde länger als vorher. Wirklich experimentiert habe ich aber nie.“ Sein Bart sei ihm sehr wichtig geworden: „Vielleicht fühle ich mich mit ihm ein wenig erwachsener, reifer und ja, meinetwegen auch ein wenig männlicher“. Einen, wie er sagt „zotteligen“ Vollbart würde er aber nicht haben wollen, genauso wie er sich nicht vorstellen kann, die Haare aus dem Gesicht zu entfernen. „In meinem Umfeld tragen eigentlich alle Männer momentan Bart. Vielleicht ist das auch nur eine Phase, eine Mode, und in fünf Jahren laufen wir wieder alle glattrasiert durch die Gegend. So wirklich kann ich mir das aber gerade nicht vorstellen“.
Der Student Manuel (25) trägt seinen etwa 15mm langen Schnauzbart seit mittlerweile drei Jahren: „Angefangen hat das mit einem Urlaub in Südamerika, bei dem wir dachten, dass wir mit Schnauzer weniger auffallen. Dann hab ich ihn einfach nicht mehr abgemacht“. Auch für ihn hat sein Bart einen hohen Stellenwert: „Mein Bart ist ein Teil von mir und ich gebe ihn vorerst noch nicht ab. Der gefällt mir.“ Auf die Frage hin, was er von dem momentanen Trend des Bartes halte, sagt er: „Dass mittlerweile wieder viele Männer Bärte tragen, finde ich nicht weiter schlimm. Man hat, wenn man einen anderen Bartträger trifft, direkt einen Bartgesprächspartner“.
Dies Alles zeigt, dass – obwohl Bärte momentan ein Massenphänomen sind – es zu den zahlreichen verschiedenen Formen der Gesichtsbehaarung auch noch unterschiedliche Gründe für das Tragen eines Bartes gibt. So entschied sich Manuel zunächst für einen Bart, um weniger aufzufallen, während Benedict seinen Bart als Zeichen von Reife und Männlichkeit begreift. Beide sind sich bewusst, dass das Barttragen momentan auch einen modischen Aspekt hat und schließen nicht aus, sich – aus welchen Gründen auch immer – zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu rasieren, momentan scheint es für beide jedoch keine Option zu sein. Das obige Thema der Individualität kam in beiden Gesprächen nicht dezidiert zur Sprache. Beide haben aber gezeigt, dass individuelles Wohlbefinden und Mode sich keineswegs ausschließen müssen und jeder Bart seine eigene kleine Geschichte erzählen kann.
[1] Peterkin, Allan nach Oliver, Dana: Bartforscher erklärt: Was die Gesichtsbehaarung eines Mannes über ihn aussagt. In: Huffington Post, 14.09.2015. URL: http://www.huffingtonpost.de/2015/09/14/bartforscher-gesichtsbehaarung-mannes_n_8132080.html (24.03.2016)
[3] Vgl.: Wietig, Christina: Der Bart. Zur Kulturgeschichte des Bartes von der Antike bis zur Gegenwart. Hamburg 2005, S. 13.
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